Hypnosepraxis am Sachsenwald       Richard Petersen 

Psychotherapie / Hypnosetherapie                                                   21465 Reinbek, Am Rosenplatz 8                               

Stalking

Richard Petersen • Nov. 02, 2023

Von Liebe keine Spur

Mehr als zehn Prozent aller Deutschen wurden bereits über längere Zeit hin gezielt verfolgt und sogar bedroht, häufig vom eigenen Ex-Partner. Wie können sich die – meist weiblichen – Betroffenen schützen?


Anna hat sich nach mehreren Jahren von Peter getrennt und deutlich gemacht, dass sie keinen Kontakt mehr wünscht. Dennoch ruft ihr Ex-Partner sie immer wieder an. Er teilt ihr mit, dass er sie noch liebt und bittet um eine weitere Aussprache. Anna geht nicht mehr ans Telefon und blockiert Peters Nummer. Dann findet sie einen Brief von ihm im Briefkasten. Er sei so verzweifelt, dass er daran denke, sich umzubringen, wenn sie sich nicht noch einmal mit ihm treffe, schreibt Peter. Auch darauf geht Anna nicht ein. Bei Gericht erwirkt sie eine Verfügung, die Peter eine weitere Kontaktaufnahme untersagt. Kurz darauf fängt er Anna vor ihrer Wohnung ab, spricht sie aggressiv an, was sie ihm antue und dass sie das noch bereuen werde.

Dieses fiktive Szenario beschreibt einen typischen Fall von Stalking, wie es sich in Deutschland täglich ereignet. Das Verhalten äußert sich darin, dass ein Stalker einen anderen Menschen belästigt, verfolgt und bedroht. Betroffene versetzt das in Angst. Stalking kann gewalttätig eskalieren, und in seltenen Fällen kommt es sogar zu Tötungsdelikten.


Meist leiden Frauen darunter: Laut diversen Studien sind 79 Prozent der Betroffenen weiblich, die Täter hingegen zu mehr als 80 Prozent männlich. Was treibt Stalker an – und wie kann man sich schützen?


Stalking ist ein abnormes, aggressives und kriminelles Verhalten, weshalb es nicht verwundert, dass die meisten Stalker Männer sind. Immerhin neigen Männer generell häufiger zu anderen aggressiven Verhaltensweisen, etwa Körperverletzung, Sexualdelikten sowie Mord und Totschlag.

Der Begriff Stalking stammt übrigens aus der Jägersprache und leitet sich von dem englischen Wort für "anpirschen" ab.

Typisch sind wiederholte Telefonanrufe, Briefe, E-Mails oder Nachrichten. Zudem lauern Stalker ihren Opfern oft auf, treiben sich in der Nähe deren Wohnung oder Arbeitsplatz herum, senden ihnen Geschenke zu, tätigen Bestellungen im vermeintlichen Auftrag des Opfers oder beschädigen deren Eigentum.

 

Aufgrund der zunehmenden Verbreitung von elektronischen und sozialen Medien hat auch das so genannte Cyberstalking erheblich zugenommen. Das Internet bietet zusätzliche perfide Möglichkeiten, andere zu belästigen. Manche Täter versenden anonyme E-Mails an ihre Opfer, spähen deren Computer aus oder versenden im Namen der Betroffenen kompromittierende Nachrichten an Dritte. Zunehmend verbreitet ist, in diesem Zusammenhang, auch die missbräuchliche Nutzung persönlicher Daten oder Bilder aus sozialen Netzwerken.


Anfang der 2000er Jahre wurde Stalking noch oft nicht ernst genommen. Es kam vor, dass Frauen, die sich hilfesuchend an die Polizei wandten, zurückgewiesen wurden. In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Sensibilität für die Thematik deutlich angestiegen. Die Polizei richtete spezielle Anlaufstellen für Betroffene ein, und seit 2007 ist »Nachstellung« (der Fachbegriff für Stalking) laut § 238 Strafgesetzbuch strafbar. Die Häufigkeit des übergriffigen Verhaltens hat sich dadurch allerdings kaum verändert. 


Was motiviert die Täter? Und warum ignorieren sie klare Ansagen, dass Kontakt nicht erwünscht ist? Geht man diesen Fragen nach, wird schnell klar, dass es unterschiedliche Formen des Stalkings gibt. Eine professionelle Analyse des übergriffigen Verhaltens kann gewalttätigen Eskalationen vorbeugen.

Eine in Deutschland weit verbreitete Klassifizierung stammt von Paul Mullen. Der australische forensische Psychiater hat 1999 fünf verschiedene Stalker-Typen beschrieben:


1. der zurückgewiesene Stalker

2. der Liebe, Nähe und Zuwendung suchende Stalker

3. der inkompetente Stalker

4. der Rache suchende Stalker

5. der beutelüsterne Stalker


Der zurückgewiesene Stalker ist mit etwa 60 Prozent besonders oft vertreten. Zur Häufigkeit der anderen Typen gibt es bislang keine zuverlässigen Daten. Schauen wir uns die fünf Stalker der Reihe nach an.

Ersterer wird auch als »Ex-Partner-Stalker« bezeichnet. Er hatte eine, in der Regel intime, Beziehung zum Opfer und beginnt die Verfolgung, nachdem diese Beziehung zerbrochen ist. Ihn motivieren Wut und Enttäuschung, manchmal zudem die Hoffnung, das frühere Verhältnis wiederherzustellen. Das Stalking empfindet er als eine Art Ersatz für die Beziehung, er übt damit Macht aus und will über die Lebensgestaltung seiner Ex-Partnerin bestimmen. Das Risiko, dass seinen Drohungen Taten folgen, ist hier besonders hoch. Vor allem beim Ex-Partner-Stalking kommt es zu Körperverletzungen und sogar Tötungsdelikten, wobei genaue Zahlen bislang nicht bekannt sind.


Peter aus dem eingangs beschriebenen Beispiel ist ein typischer zurückgewiesener Stalker. Die gerichtliche Verfügung hat er völlig ignoriert. Im weiteren Verlauf versucht er immer wieder, Kontakt zu Anna aufzunehmen und spricht eine konkrete Drohung aus. Er würde sie töten, wenn sie nicht zu ihm zurückkehre.

Allerdings legt Peter ihr auch einen Blumenstrauß vor die Tür. Anna nimmt die Todesdrohung daher nicht ernst, zeigt Verstöße gegen die gerichtliche Weisung aber an. Kurz nachdem er von einer anberaumten Gerichtsverhandlung erfährt, attackiert Peter Anna vor ihrer Haustür mit einem Messer, als sie am späten Abend allein von einer Veranstaltung zurückkehrt. Wegen schwerer Körperverletzung wird er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Täter wie Peter sind nicht psychisch krank. Da sie ihr Verhalten willentlich steuern und anpassen können, sind sie strafrechtlich voll verantwortlich.


Beim »Liebe, Nähe und Zuwendung suchenden Stalker« verhält sich das meist etwas anders. Dieser wünscht sich eine Beziehung mit seinem Opfer und negiert Zurückweisungen oder interpretiert sie als versteckte Zeichen der Zuneigung. Zentrales Kriterium eines solchen behandlungsbedürftigen »Liebeswahns« ist die Überzeugung, dass die gestalkte Person den „Wahnkranken“ insgeheim liebt.


Der inkompetente Stalker verfügt in der Regel nur über eine geringe intellektuelle und soziale Kompetenz. Im Hinblick auf Beziehungen ist er unerfahren und weiß nicht, wie man diese beginnt oder aufrechterhält. Ablehnung kann er deshalb nicht richtig interpretieren.


Der vierte Typ will sich auf Grund eines tatsächlich oder vermeintlich erlittenen Unrechts rächen. Sein Ziel ist es, der betroffenen Person Angst einzujagen. Grundlage können Beratungsfehler oder falsch interpretierte Tipps von Ärzten, Therapeuten oder Rechtsanwälten sein. Oft sprechen die Täter Drohungen aus, setzen sie aber vergleichsweise selten in Taten um.


Besonders gefährlich ist der beutelüsterne Stalker: Er plant einen sexuellen Übergriff. Während er sein Opfer verfolgt und ausspäht, entwickelt er immer konkreter werdende Fantasien. Das Risiko, dass es tatsächlich zu einem Gewaltakt kommt, ist sehr hoch.


Stalking-Opfer sollten – unabhängig von der Form des Stalkings – bestimmte Verhaltensregeln beachten. In vielen Regionen Deutschlands gibt es bei der Polizei Ansprechpersonen für Stalking, die sich mit Beratung und Prävention befassen. Auch psychosoziale Beratungsstellen bieten Hilfe.

Idealerweise sollten Betroffene nur ein einziges Mal unmissverständlich klarmachen, dass sie keinen Kontakt wünschen und ignorieren daraufhin alle weiteren Annäherungsversuche.

Aus Schamgefühl behalten einige die Situation für sich. Das ist jedoch ungünstig, denn wenn die gestalkte Person ihre Familie sowie Nachbarn, Freunde und Kollegen informiert, stärkt sie ihre persönliche Sicherheit.

 

Es ist wichtig, Vorkommnisse zu dokumentieren!

Hilfreich hierfür ist z. B. Die NO STALK APP des WEISSEN RINGS

Zusätzlich empfiehlt es sich, seine Telefonnummer nicht abzumelden, sondern Anrufe des Täters auf der Mailbox aufzuzeichnen. Geschenke sollte man an einem neutralen Ort aufbewahren und Nachrichten sowie E-Mails zu Beweiszwecken speichern. Sofern eine akute Gefährdungslage besteht, kann es ratsam sein, sich in der Öffentlichkeit von jemandem begleiten zu lassen.

 

Wer beabsichtigt, rechtliche Schritte einzuleiten, sollte sich von einem spezialisierten Rechtsanwalt über die straf- und zivilrechtlichen Möglichkeiten beraten lassen. Nach einer Anzeige bei der Polizei kann ein Strafverfahren eingeleitet und der Stalker unter Umständen wegen Nachstellung verurteilt werden. Die Verfahren sind allerdings oft langwierig und die Verurteilungsquote eher gering.

Verfügungen nach dem Gewaltschutzgesetz (etwa ein Annäherungsverbot) sind schneller zu erreichen und oft effektiver. Wenn Stalker sich nicht daran halten, drohen ihnen empfindliche Geld- oder Freiheitsstrafen.


Viele Betroffene machen den Fehler und gehen – nachdem sie Hunderte von Anrufen konsequent ignoriert haben – schließlich doch auf die Bitte des Stalkers ein und sprechen mit ihm. Sie hoffen, ihn im Gespräch zur Besinnung zu bringen.

Das ist menschlich zwar verständlich, aber kontraproduktiv und gefährlich. Damit sendet das Opfer nämlich ein in der Lernpsychologie als »intermittierende Verstärkung« bezeichnetes Signal. Der Stalker stellt fest, dass er sein Ziel erreicht, wenn er nur lange genug darauf hinarbeitet.


Besondere Vorsicht ist geboten bei einer Todesdrohung – die Anna im beschriebenen Fallbeispiel leider nicht ernst genommen hat – , aber auch, wenn ein Stalker ins „Alles-oder-nichts-Denken“ verfällt. Darauf kann folgende Äußerung hinweisen: »Wenn ich dich nicht haben kann, soll dich keiner haben.« Wahnhafte Verkennung der Realität, leichter Zugang zu Waffen, geringe Frustrationstoleranz sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch erhöhen ebenfalls die Wahrscheinlichkeit eines Übergriffs. Auch nachdem ein Stalker ein Annäherungsverbot zugestellt bekommen hat oder ihm der Kontakt zu gemeinsamen Kindern gerichtlich untersagt wird, steigt das Risiko.

 

Im oben beschriebenen Fallbeispiel von Anna und Peter war es eine anstehende Gerichtsverhandlung, die der gewalttätigen Eskalation vorausging.


Nicht selten kommt der Gedanke auf, dass ein Stalker eine psychotherapeutische Behandlung benötige, weil sein Verhalten nicht normal sei. Das stimmt zwar. Doch andere kriminelle Handlungen weichen ebenfalls von der Norm ab, und die meisten Täter werden juristisch belangt und nicht psychotherapeutisch behandelt.

Dasselbe gilt für Stalker. Es ist die Aufgabe von psychiatrischen Sachverständigen, die eher seltenen Fälle zu begutachten, in denen Stalking tatsächlich durch eine psychische Krankheit bedingt ist.

 

Den mancherorts angebotenen Behandlungsangeboten für Stalker darf man durchaus mit Zurückhaltung begegnen!

Für psychisch gesunde Stalker gibt es keine empirisch belegte Therapie. Insbesondere im Hinblick auf das kriminelle Verhalten von Ex-Partner-Stalkern ist eine konsequente Strafverfolgung wichtig.


Wer sich von seinem Partner oder seiner Partnerin akut bedroht fühlt, sollte umgehend die 110 wählen.

Zudem ist das Hilfetelefon »Gewalt gegen Frauen« unter 0800 0116016 kostenlos und rund um die Uhr erreichbar.

Für Männer gibt es eine entsprechende Beratung unter 0800 1239900 und per Chat auf www.maennerhilfetelefon.de.

Quelle: Spektrum.de


Sidekick Femizid

Der Begriff Femizid kommt aus dem Englischen ("Femicide") und wurde 1976 von der Soziologin Diane Russell geprägt. Er bezeichnet die vorsätzliche Tötung von Frauen, weil sie Frauen sind. Femizide sind vor dem Hintergrund geschlechtsspezifischer Macht und Hierarchieverhältnisse zu sehen und werden besonders häufig durch männliche Partner oder Ex-Partner verübt.

Jeden Tag gibt es in Deutschland einen polizeilich registrierten Tötungsversuch an einer Frau. Fast jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch die Hand ihres Partners oder Ex-Partners.

Und dabei bleibt Gewalt von Männern gegen Frauen oft verborgen. Viele Frauen haben Angst, zur Polizei zu gehen weil sie fürchten, dass ihnen nicht geglaubt wird.

Die Dunkelziffer vermisster und schwer verletzter Frauen kennt niemand.

Quelle: BKA.de, NDR.de


Vielen Dank fürs Lesen und viele Grüße

Richard


P.S. Für die bessere Lesbarkeit habe ich die maskuline Schreibweise verwendet. Angesprochen sind selbstverständlich immer alle Geschlechter.

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