Hypnosepraxis am Sachsenwald       Richard Petersen 

Psychotherapie / Hypnosetherapie                                                   21465 Reinbek, Am Rosenplatz 8                               

Selbstoptimierung

Richard Petersen • Feb. 09, 2024

Ist gut noch gut genug?

Selbstoptimierung verfolgt das Ziel, das Optimum aus sich selbst herauszuholen.


„Wie kann ich noch besser werden?“ Für viele Menschen ist dies immer mehr eine zentrale Frage im Leben.

Gut zu sein reicht schon lange nicht mehr aus, das Ziel ist es, besser zu sein. Nicht nur besser als andere, sondern auch besser als man selbst noch vor kurzer Zeit war.

Klingt erst einmal nach großer Motivation und dem Wunsch nach Entwicklung und Wachstum. Mündet es allerdings in Selbstoptimierungswahn, bringt es mehr Probleme als Vorteile.


Hinter Selbstoptimierung steckt die Maxime, das Beste aus sich und seinem Leben zu machen. Das Optimum in allen Bereichen, beruflich wie privat, herauszuholen.

Der Begriff Optimum stammt aus dem Lateinischen für „Bester, Hervorragendster.“

Bekannt ist die Optimierung aus technischen, naturwissenschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Bereichen. Dort trägt sie dazu bei, mit minimalen Aufwand zu maximalen Ergebnissen zu gelangen, das sog. „Minimax-Prinzip.“

Physikalisch eigentlich unmöglich. Grundsätzlich gilt: Mit vorhandenen Mitteln, den größtmöglichen Ertrag erzielen „Maximal-Prinzip“. Oder: Ein vorgegebenes Ziel mit dem geringsten Aufwand zu erreichen „Minimal-Prinzip“.


Schneller, höher, weiter. Dieses Leitbild scheint jedoch zunehmend der gesamtgesellschaftliche Trend zu sein. Denn es durchzieht längst alle Lebensbereiche, zum Teil ohne dass wir es merken.

Was anfangs zur Unterstützung gedacht war, führt zu absurden Szenarien. Menschen unterwerfen sich regelrecht bestimmten Idealen mithilfe der Technik.


Ein Stück weit ist Selbstoptimierung absolute Normalität. Wann immer wir eine Fähigkeit erlernen wollen, probieren wir es so lange, bis es klappt. Das gilt für so elementare Grundkenntnisse wie Lesen und Schreiben, aber auch für komplexere Fähigkeiten später im Beruf und Privatleben. Wir üben und trainieren in vielen Bereichen ganz selbstverständlich und ohne Zwang, einfach weil wir besser werden wollen.


Immer mehr Menschen erfreuen sich daran, ihr gesamtes Leben in digitaler Form zu erfassen und Schritt für Schritt zu verbessern. Im Fachjargon spricht man dabei von „Quantified Self“ – also etwa die Messbarkeit der eigenen Person.

Der ursprüngliche Gedanke ist dabei durchaus positiv.

Vielen Selbstoptimierern geht es darum, das eigene Leben besser zu nutzen. Sie wollen so viel wie möglich aus jedem Tag herausholen und die eigene Zeit glücklich und erfolgreich nutzen. Technische Entwicklungen verwenden sie, um diesen Wunsch in die Tat umzusetzen. Das betrifft vor allem diese Bereiche:


Selbstmanagement im Beruf

Selbstoptimierung am Arbeitsplatz ist wichtig, um den Anforderungen des Arbeitstages gerecht zu werden, in deine Position hineinzuwachsen und wirklich gut in dem zu sein, was du tust. Du passt deine Arbeitsweise an die Herausforderungen an, lernst dazu, verbesserst deinen Ablauf und erzielst mit wachsender Erfahrung bessere Ergebnisse.


Self-Tracking im Privaten

Der weitaus größere Part findet im Alltag und in der Freizeit statt. An vorderster Front dabei: Das Smartphone als größte Unterstützung und gleichzeitiges Kontrollorgan der Selbstoptimierer. Schrittzähler sagen dir, ob du auch genug gelaufen bist, für jedes Nahrungsmittel kannst du Nährwerte und Kalorien abfragen, um am Ende des Tages ein Kaloriendefizit beibehalten und abnehmen zu können. Nachts überwacht eine App die Dauer und die Qualität des Schlafes, weitere Helfer sorgen dafür, dass du auch wirklich all die Ziele verfolgst, die du dir selbst gesteckt hast und ganz egal, was du sonst machst – es gibt die Möglichkeit, dass du es optimierst.


Allerdings führt die Selbstoptimierung häufig nicht zu mehr Glück und Zufriedenheit mit dem eigenen Leben, sondern kann das Gegenteil bewirken.


Trotz möglicher Gefahren bedeutet es nicht, dass man sich nicht selbst optimieren darf. Der Grundgedanke, mehr aus seinem Leben zu machen und eine bessere Version von sich selbst zu werden, ist legitim. Entscheidend ist jedoch, wie du dabei vorgehst.


1. Realistische Ziele setzen

Wer zu viel will, bekommt am Ende weniger. Wenn du es mit der Selbstoptimierung übertreibst, verlernst du, zufrieden mit dir selbst zu sein. Erinnere dich deshalb immer wieder selbst daran, dass gut eben doch gut genug sein kann. Es muss nicht immer alles perfekt und 120 Prozent (physikalisch ebenfalls unmöglich) sein. 95 Prozent können absolut ausreichend sein und machen oftmals viel glücklicher als der Versuch, irgendwie noch mehr zu erreichen.


2. Individuelle Wünsche suchen

Außerdem sollte sich Selbstoptimierung immer an der eigenen Person orientieren. Heißt: Frag dich, was du überhaupt erreichen willst, warum du dich optimieren möchtest und wie weit du dabei gehen willst. Was für andere sinnvoll ist, ist für dich individuell vielleicht total unpassend. Selbstoptimierung als reiner Selbstzweck bringt gar nichts. Glück lässt sich nun mal nicht erzwingen, auch nicht durch Selbstoptimierung.


3. Größere Gelassenheit entwickeln

Manchmal ist es besser, die Dinge ein wenig lockerer zu sehen. Einiges so zu akzeptieren, wie es ist. Mit mehr Ruhe fällt eine Last von den eigenen Schultern. Denn die fixierte Jagd nach den Zielen führt zum Tunnelblick. Statt weitere Optionen zu erkennen, sehen wir nur noch diese eine Sache. Das kann den Blick für kreative Ansätze und alternative Lösungen verstellen. Andersherum ermöglicht größere Gelassenheit, die Perspektive zu wechseln.


Durch Selbstoptimierung das eigene Leben verbessern zu wollen, hat unterschiedliche Ursachen. Dahinter stehen in der Regel sehr menschliche Bedürfnisse. Diese können in ihrer extremen Ausprägung schon in Selbstoptimierungswahn ausarten.


Perfektionismus

Bis zu einem gewissen Grad sind viele Menschen perfektionistisch. Gerade wenn es um die eigene Person geht, wollen sie Fehler und Schwächen vermeiden oder beseitigen. Selbstoptimierung schlägt genau in diese Kerbe. Sie ermöglicht es, in jedem Bereich an sich selbst zu arbeiten, gleichzeitig den eigenen Fortschritt zu kontrollieren und sich ständig zu verbessern.


Vergleiche

Befeuert wird der Perfektionismus oft noch vom Drang, sich mit anderen zu vergleichen. Menschen suchen regelrecht die Konkurrenz, wollen wissen, wo sie selbst stehen. Und natürlich wollen sie die anderen übertrumpfen, um das eigene Ego ein bisschen aufplustern zu können.

Übrigens: Der schnellste Weg zum unglücklich sein führt über den Vergleich. Denn es wird immer jemanden geben, der schneller ist, klüger ist, schöner ist, intelligenter ist etc. als du.


Kontrollbedürfnis

Selbstoptimierung bedient nicht zuletzt den Wunsch nach Kontrolle. In einer sich ständig verändernden Welt entgleiten gefühlt immer mehr Dinge der Kontrolle. Und andere Bereiche lassen sich schlichtweg nicht kontrollieren. Etwa Entscheidungen anderer Personen oder die Umwelt. Wer sich und sein Leben optimiert, übt immerhin vermeintlich Selbstkontrolle aus. Die gibt uns das Gefühl, Dinge nach unserem Geschmack beeinflussen zu können. 


Die Jagd nach dem Maximum soll motivieren und dazu führen, mehr aus sich selbst herauszuholen. In der Realität bewirkt es aber häufig Überforderung und viel zu hohe Erwartungen an sich selbst, die einfach nicht erfüllt werden können.

Große Ziele sind gut und wichtig, wer aber ständig mehr von sich verlangt, als er leisten kann, arbeitet gegen das eigene Selbstwertgefühl. Jeden Tag zeigst du dir selbst, dass du offensichtlich nicht gut genug bist, nicht mithalten kannst, dem Tempo und den Anforderungen nicht gewachsen bist.

Was folgt sind Selbstzweifel oder sogar psychische Probleme oder Krankheiten. Der Wunsch nach Perfektionismus setzt dich immer weiter unter Druck, bis du diesem nicht mehr standhalten kannst.


Auf die Spitze getrieben, kann Selbstoptimierung also durchaus negative Konsequenzen haben. Vielfach existiert ein falsches Verständnis von Selbstoptimierung.

Denn der Vorstellung vom Maximum liegt oft der Straight-Line-Instinct zugrunde. Der besagt, dass Menschen häufig von einer linearen Entwicklung ausgehen. Aber Entwicklung findet in Kurven statt!

Hinzu kommt, dass sie niemals wirklich beendet ist. Wann immer du ein Ziel erreicht hast, rückt das nächste ins Blickfeld.

Die Grenzen des absoluten Maximums sind also flexibel und werden höchstens von einer Person selbst definiert.

Daher sollten wir Selbstoptimierung eher als ständigen Prozess begreifen, den wir nach unseren Vorstellungen gestalten können und sollten.


Dabei ist es wichtig, immer die eigenen Interessen zu wahren. Medien und geschäftstüchtige Unternehmen suggerieren oft Ideale. Und die soll jeder mit der richtigen App, dem richtigen Ernährungsplan oder dem richtigen Coaching erreichen können.

 

Die Werbung ist unglaublich geübt darin, eine Notwendigkeit zu kreieren, die gar nicht besteht. Sie kann das Gefühl zu erzeugen, ihr Produkt würde dringend gebraucht.

In dem Fall bist du aber nicht wirklich frei in deiner Entscheidung. Du fühlst dich unter Druck gesetzt, weil scheinbar alle das nun so machen. Dieser unbewusste Zwang wird dich und den Spaß an einer Sache eher ausbremsen.


Du bist auch so in Ordnung. Eine bessere Version deiner selbst ist immer die, die frei von einem schlechten Gewissen und selbstbestimmt ihre Entscheidungen trifft.

Quelle: Karrierebibel


Vielen Dank fürs Lesen und viele Grüße,

Richard


P. S. Wenn ich die maskuline Schreibweise verwendet habe, dann ausschließlich für die bessere Lesbarkeit. Angesprochen sind immer alle Geschlechter.

von Richard Petersen 17 Mai, 2024
Good vibes only?
von Richard Petersen 10 Mai, 2024
Der Fluch der ständigen Erreichbarkeit
von Richard Petersen 03 Mai, 2024
Wenn Vorurteile den Fortschritt behindern
von Richard Petersen 26 Apr., 2024
Wenn du emotional abhängig bist...
von Richard Petersen 19 Apr., 2024
Der Matthäus-Effekt!
von Richard Petersen 12 Apr., 2024
Damit eine Psychotherapie erfolgreich ist.
von Richard Petersen 05 Apr., 2024
Wenn dein Kind hochbegabt ist.
von Richard Petersen 28 März, 2024
Zuschauen aber nicht helfen!
von Richard Petersen 22 März, 2024
Das Phänomen der falschen Erinnerungen
von Richard Petersen 15 März, 2024
Wenn der Nachtschreck in die Glieder fährt
Weitere Beiträge
Share by: