Hypnosepraxis am Sachsenwald       Richard Petersen 

Psychotherapie / Hypnosetherapie                                                   21465 Reinbek, Am Rosenplatz 8                               

Klimakrise

Richard Petersen • Feb. 16, 2024

Warum die Klimakrise uns scheinbar kalt lässt.

Rekordwerte für Treibhausgase in der Atmosphäre, bedrückende Prognosen zur Erderwärmung und immer neue Berichte über Hitzewellen, Dürren und Extremwetterereignisse. Der Klimawandel drückt sich schon seit einiger Zeit vor allem in Schreckensmeldungen aus.

Trotz alarmierender Schlagzeilen und einem wachsenden Klimabewusstsein in der Bevölkerung reagieren wir auf die Klimakrise nur träge oder gar nicht. Das liegt nicht zuletzt auch an psychologischen Barrieren.

Was uns hemmt, und wie wir in Aktion kommen.

Im Frühjahr 2023 zeigte eine Studie im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe, dass der Verkehrssektor in Deutschland weiterhin die Klimaziele verfehlt.

Für den Gebäudebereich bescheinigte der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung zu wenig Ehrgeiz, und das Umweltbundesamt mahnte allerhöchste Eile beim Ausbau der Erneuerbaren Energien an, um die Klimaziele der kommenden Jahre zu erreichen.

Gleichzeitig vermeldete das Luftfahrt-Tracking-Unternehmen „Flightradar24“, dass am 6. Juli 2023 so viele kommerzielle Flugzeuge in der Luft gewesen seien wie noch nie seit Start des Dienstes im Jahr 2006, während das Statistische Bundesamt im September vergangenen Jahres von einem Rekordwert der Zahl der Pkw je Einwohner in Deutschland für 2022 berichtete. (Bundesweit im Schnitt 583 Autos pro 1000 Einwohner*innen)

Politisch wie individuell wirkt unsere Reaktion auf die Klimakrise im besten Fall schwerfällig – und das, obwohl der Klimawandel vielen Menschen Angst macht und ihnen der Schutz des Klimas wichtig ist, wie Umfragen regelmäßig zeigen.

In den vergangenen Jahrzehnten ist das Klimabewusstsein auf ein sehr hohes Niveau gestiegen.

Vielen ist also bewusst, was da passiert, und trotzdem fällt es uns schwer, das mit unserem eigenen Handeln zu verknüpfen.

Dadurch, dass es sich um eine globale Krise handelt, entsteht ein Gefühl der Hilflosigkeit.

„Ich als Einzelner kann die Klimakrise ja nicht aufhalten.“

„Wir als einzelnes Land können den Klimawandel auch nicht stoppen.“

Hinzu kommt, dass der Klimawandel und seine Konsequenzen für viele Menschen immer noch schwer greifbar sind.

Wir reden über 1,5 oder zwei Grad. Das ist nichts, was uns emotional berührt. Natürlich geht es dabei um globale Temperaturunterschiede, aber salopp gesagt spüre ich ein halbes Grad Unterschied im Raum nicht.

Zudem wird sehr theoretisch und rational über die Klimakrise gesprochen.

Dinge müssen uns aber emotional berühren, damit wir ins Handeln kommen.

Klimakrise oder Klimawandel sind für uns sehr abstrakt. Ereignisse wie Dürren werden zwar wahrgenommen und von vielen Menschen auch mit der Klimakrise in Verbindung gebracht. Wobei wissenschaftlich allerdings gar nicht gesagt werden kann, dass einzelne Ereignisse zu 100 Prozent dem Klimawandel geschuldet sind.

Derartige Zuschreibungen von Ursachen sind auch mit Unsicherheiten verbunden, und diese Unsicherheit ist einer der Aspekte, die es uns als Bürgerinnen und Bürgern, aber auch der Politik schwer macht.

Das Problem beim klimafreundlichen Verhalten ist, dass wir Verhaltensweisen aufgeben sollen, die wir vielleicht gern machen, die uns wichtig sind und uns positive Emotionen bringen.

Folgendes Beispiel einer alltäglichen Situation in einer Kantine, bei der man sich zwischen einem Fleisch- und einem vegetarischen Gericht entscheiden muss.

Der Punkt ist, dass ich bei der Entscheidung für das vegetarische Gericht die unmittelbaren Konsequenzen für das Klima nicht spüre, indem etwa die Temperaturen wieder sinken oder die Gletscher wachsen.

Klimafreundliche Handlungen im Heute werden also erst in ferner Zukunft Konsequenzen haben. Das macht es schwierig.

Das unmittelbar positive Erlebnis, das mit dem klimaschädigenden Verhalten einhergehen kann – wie etwa der Griff zum Fleischgericht, das mir schmeckt und Genuss bringt – steht in Konflikt zu dem, was rational gut ist, mir aber vielleicht nicht die positive Bestärkung gibt.

Unser klimaschädliches Verhalten wird allerdings nicht nur von psychologischen oder individuellen Faktoren bestimmt, sondern auch von systemischen Standards.

 

Wenn es überall Straßen gibt, fahren Menschen auch überall mit dem Auto. Und wenn das Fliegen billiger ist als Zugfahren, entscheiden sich Menschen für das Flugzeug. Es ist einfach so, dass das klimaschonende Verhalten an den allermeisten Stellen sehr viel schwieriger, zeitaufwendiger und für viele noch ungemütlicher ist.

Wie stark auch soziale Normen und Verhaltensweisen wirken zeigt die sog. „Rauchstudie“, ein Experiment von 1968.

Dafür wurden Menschen in einen Raum gesetzt, in den weißer Rauch geleitet wurde.

Einige Teilnehmer waren eingeweiht, dass der Rauch kein Feuer anzeigt und keine Gefahr besteht. Diese Eingeweihten hatten die Anweisung, sitzen zu bleiben.

Doch auch die Nicht-Eingeweihten verharrten im Raum – obwohl der Rauch Signal einer lebensbedrohlichen Situation hätte sein können.

Eine gute Analogie zu dem, was gerade in der Klimakrise passiert. Zum einen sehen wir das Ausbleiben von Konsequenzen, zum anderen aber eben auch, dass wir uns an anderen orientieren.

Natürlich lesen wir in den Medien regelmäßig die Schlagzeilen über die katastrophalen Folgen der Klimakrise, aber wenn man sich umschaut, ist niemand so richtig panisch. Diese ausbleibende Panik im eigenen Umfeld führt zu dem Trugschluss, dass alles nicht so schlimm sein kann.

Hinzu kommen sogenannte Normkonflikte.

Auf der einen Seite steht die moralische Norm, auf die wir uns als Gesellschaft geeinigt haben und die uns sagt, welches Verhalten als erstrebenswert gilt und welches negativ betrachtet wird.

Demgegenüber steht die deskriptive Norm (deskriptiv = beschreibend), also das Verhalten, das die Mehrheit zeigt.

Und in einem Normkonflikt zwischen gewünschtem und gezeigtem Verhalten – das zeigt die Forschung – wirkt die beschreibende Norm stärker.

Zum einen, weil es oft leichter ist, ihr zu folgen, zum anderen aber vor allem, weil wir uns gerne an der Mehrheit orientieren möchten.

Die Bedeutung sozialer Normen hat natürlich Folgen für die Kommunikation zur Klimakrise.

So zeigen Schlagzeilen wie: „70 Prozent der Männer würden lieber sterben als auf Fleisch zu verzichten“, wie sich die Mehrheit verhält – und daran orientieren wir uns, selbst, wenn ein solches Verhalten an den Pranger gestellt wird.

Viel sinnvoller wäre es daher, Trendprognosen zu nutzen oder dynamische Normen anzusprechen.

Beim Fleischkonsum könnte also berichtet werden: „Die Mehrheit greift noch zu Fleisch, aber immer mehr Menschen finden Geschmack an fleischlosen Alternativen.“

Entsprechende Studien zeigen, dass ein solcher Ansatz wirkt, weil wir eben auch Teil von Innovationen oder Trends sein wollen.

Andere Studien machen deutlich, dass die meisten Menschen es als gerecht empfänden, wenn Verursacher von Klimaschäden auch die Verantwortung übernähmen.

Das könnte vermutlich stärker kommuniziert werden, denn Menschen ist bewusst, dass sie mit dem Verhalten für etwas verantwortlich sind.

Konkret könnte das bedeuten, z. B. klimaschädigendes Verhalten stärker zu bepreisen.

Neben der Preisgestaltung können allerdings auch Verbote wirken.

Verbote sind eigentlich etwas sehr Gerechtes. Denn Verbote gelten für alle, und ich kann mich auch nicht mit viel Geld rein- oder rauskaufen.

Allerdings würden Verbote bei vielen Menschen spontane Abwehr auslösen. Wir lassen uns ungern in unserer Freiheit einschränken.

Dennoch können Verbote hilfreich sein, nämlich dann, wenn sie gerecht sind und der Mehrheit von uns sehr viel Gewinn bringen.

Das Nichtraucherschutzgesetz oder das Verbot, ohne Sicherheitsgurt anzulegen Auto zu fahren, zeigen dies ganz deutlich. Gerade die Anschnallpflicht macht zudem deutlich, dass politische Maßnahmen der schnellste Hebel sind, um soziale Normen zu verändern.

 

Das heißt allerdings nicht, dass man sich als Einzelner aus der Verantwortung nehmen kann. Aus psychologischer Sicht schon allein deswegen nicht, weil wir mit Blick auf soziale Normen mit unserem Verhalten eine Vorbildfunktion entfalten und andere motivieren können.

Die Vielzahl von Schreckensmeldungen über die Folgen der Klimakrise führt bei den Menschen zu Abwehrmechanismen. Informationen über eine existenzielle Bedrohung lösen dann eine Art Schockstarre oder zumindest ungute Gefühle aus.

Viel sinnvoller wäre es daher, über positive Beispiele zu berichten.

Wir wissen, dass Horrorszenarien uns hemmen und Mechanismen auslösen, mit denen wir uns von den bedrohlichen Gefühlen lösen, ohne die Ursachen der Szenarien anzugehen. Positive Beispiele motivieren uns hingegen.

Traurigerweise findet die Klimakrise gleichzeitig mit vielen anderen Krisen statt. Wir Menschen halten aber nur ein bestimmtes Maß an Krisen aus, insofern ist ein gewisser Grad an Nachrichtenmüdigkeit vollkommen verständlich.

Aber man kann sich daraus lösen, indem man sich etwa der Bedrohung zuwendet und versucht, etwas zu deren Lösung beizutragen, also konkret: einen klimafreundlichen Lebensstil aufzunehmen.

Findet eine solche Verhaltensveränderung in einer Gruppe statt, kann ein Gefühl kollektiver Wirksamkeit entstehen die sich multipliziert.

Wir als Nachbarschaft, wir als Gemeinde, wir als Gesellschaft, wir als Gruppe, wir als Bewegung: Wir können etwas verändern. Wir können das.

Quelle:RND/dpa

In diesem Sinne, vielen Dank fürs Lesen und viele Grüße,

Richard

P. S. Wann immer ich die maskuline Schreibweise verwendet habe, diente dies ausschließlich der besseren Lesbarkeit. Angesprochen sind selbstverständlich immer alle Geschlechter.

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