Hypnosepraxis am Sachsenwald       Richard Petersen 

Psychotherapie / Hypnosetherapie                                                   21465 Reinbek, Am Rosenplatz 8                               

Einsamkeit: Die neue Pandemie

Richard Petersen • Jan. 05, 2024

Immer mehr junge Menschen sind einsam

Die Zahl einsamer Menschen in Deutschland steigt - besonders unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Einsamkeit als "Pandemie des 21. Jahrhunderts" bezeichnet.

Sie sei dabei nicht nur ein Phänomen unter älteren Menschen in reichen Ländern, berichtet die WHO.

Menschen aller Altersstufen in vielen Ländern leiden darunter. Unter jungen Menschen seien nach Studien weltweit fünf bis 15 Prozent betroffen, unter den älteren Menschen ein Viertel.

Diese Schätzungen sind vermutlich noch zu niedrig.
Einsamkeit ist nicht einfach nur ein gesellschaftliches Phänomen, sie kann richtig krank machen und sogar die Lebensdauer verkürzen.

Wer einsam ist, kann sowohl unter psychischen als auch unter körperlichen Symptomen leiden.

Anzeichen und Folgen langanhaltender Einsamkeit können unter anderem sein:

Schlafstörungen, Leistungsabfall, wenig Bewegung, ungesundes Essverhalten, Vertrauensverlust in Personen und Institutionen, Traurigkeit, Verzweiflung, Nervosität, Reizbarkeit, ein hohes Stresslevel, soziale Angst, Rückzug und Gedanken an den Tod.

 

Unser Körper reagiert auf Einsamkeit mit Stress. Er schüttet dann das Stresshormon Cortisol aus. Wenn das lange Zeit der Fall ist, steigt die Menge an Cortisol im Körper.

Das begünstigt zum Beispiel Krankheiten wie Diabetes und Bluthochdruck und schwächt das Immunsystem.

Für die WHO sind soziale Isolation und Einsamkeit auch mit Angstzuständen, Depressionen, Demenz und Suizid verbunden. Außerdem können sie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle erhöhen.
Einsamkeit hat nicht nur schwerwiegende Auswirkungen auf unsere Gesundheit, sondern auch auf unsere Lebensdauer. Die Auswirkungen auf die Sterblichkeit sei vergleichbar mit denen anderer bekannter Risikofaktoren wie Rauchen, Fettleibigkeit und körperliche Inaktivität, erklärt die WHO.


Besonders von Einsamkeit bedroht sind dabei Menschen, die vor einem neuen Lebensabschnitt oder einer Übergangssituation stehen. Zum Beispiel, wenn sie mit dem Studium oder einer Ausbildung beginnen, ins Berufsleben starten oder in Rente gehen. Auch Menschen, die ein Schicksalsschlag trifft, wie eine Trennung oder der Tod eines geliebten Menschen, haben ein erhöhtes Risiko unter Einsamkeit zu leiden. Ebenso Alleinerziehende, Singles, pflegende Angehörige sowie Menschen mit Migrationshintergrund, niedriger Bildung oder geringen finanziellen Möglichkeiten.

 

25 Prozent der erwachsenen Bundesbürger fühlen sich sehr einsam, wie das "Deutschland Barometer Depression 2023" der "Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention" zeigt.

Für die Studie wurden mehr als 5.100 Personen zwischen 18 und 69 Jahren befragt. Dieses subjektive Empfinden ist dabei zu einem großen Teil unabhängig von der tatsächlichen Zahl der Sozialkontakte.

Obwohl sie eine geringere Anzahl an sozialen Kontakten haben, berichten ältere Menschen seltener als jüngere, sich sehr einsam zu fühlen. Insgesamt haben 86 Prozent aller befragten Bundesbürger das Gefühl, dass sie heute einsamer sind als noch vor zehn Jahren.

Bei Menschen mit Depression gab sogar jeder Zweite an, von großer Einsamkeit betroffen zu sein. Ein Grund ist der krankheitsbedingte soziale Rückzug der Betroffenen.


Ein erhöhtes Risiko für Einsamkeit haben Jugendliche, die arbeitslos sind und mit finanziellen Einschränkungen leben müssen, Jugendliche, die nur ein oder gar kein Elternteil in ihrem Leben haben, sowie Jugendliche, die mit besonderen Belastungen wie negativen Lebensereignissen, psychischen Erkrankungen oder Diskriminierungserfahrungen umgehen müssen. Auch ein überhöhter Konsum digitaler Medien spielt eine Rolle.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Enge Freundschaften sind bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein besonders wichtiger Schlüssel gegen Einsamkeit.

Die Forschenden haben konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet: Es sollten unter anderem mehr Wissen über Einsamkeit vermittelt sowie die sozialen und emotionalen Kompetenzen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gestärkt werden. Mehr Begegnungsorte seien wichtig. Jugendliche müssen dort angesprochen werden, wo sie sich aufhalten.

Eine weitere Studie aus dem Jahr 2023, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zeigt, dass Jugendliche und junge Erwachsene, die angaben einsam zu sein, häufiger Verschwörungsmythen und autoritären Haltungen zustimmen sowie politische Gewalt billigen.

Befragt wurden Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 23 Jahren in Tiefeninterviews und Fokusgruppen. Die Erkenntnisse aus diesen Gesprächen wurden anschließend in einer repräsentativen Umfrage mit über 1.000 jungen Menschen überprüft. Wichtige Ergebnisse der Studie sind unter anderem:

Junge einsame Menschen stimmen häufiger Verschwörungserzählungen und politischer Gewalt zu.

Jugendliche und junge Erwachsene haben kein klares Bild von Gesellschaft und beschreiben eine Distanz zur Demokratie. Sie können nur ein vages Bild davon zeichnen, was sie unter Gesellschaft verstehen, und weisen kaum kollektives Bewusstsein auf. Nur 57 Prozent der Befragten halten die Demokratie für die beste Staatsform.

Es gibt einen Zusammenhang zwischen Einsamkeit und autoritären Einstellungen.

Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich häufig einsam fühlen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie Verschwörungserzählungen glauben, politische Gewalt billigen und autoritären Haltungen zustimmen.

Das Jugend- und junge Erwachsenenalter sind Lebensphasen, in denen wir viele psychische und soziale Veränderungen erfahren. Das macht uns für Einsamkeit empfänglich. Wir erleben Umbrüche und gleichzeitig macht unsere Persönlichkeitsentwicklung einen großen Schub, der wie ein Wachstumsschmerz wirken kann.

Der Ablösungsprozess von den Eltern spielt zum Beispiel eine große Rolle. Die Beziehung zu ihnen verändert sich. In dieser Lebensphase verlieben wir uns meistens zum ersten Mal - und werden vielleicht auch enttäuscht. Wir wechseln die Schule, beginnen eine Ausbildung oder ein Studium. Damit verändern sich oft auch unser Freundeskreis und die Personen, die uns unterstützen.

Laut dem "Kompetenznetz Einsamkeit" sei das eigene Empfinden der beste Maßstab dafür, ob man einsam ist oder nicht.

Allein zu sein oder sich einsam zu fühlen ist nicht dasselbe. Einsamkeit beschreibt ein subjektives Gefühl, Alleinsein einen objektiv sichtbaren Zustand.

Die Bundesregierung hat im Jahr 2023 eine Strategie gegen Einsamkeit mit mehr als hundert Maßnahmen beschlossen, um Betroffene zu unterstützen und um Einsamkeit vorzubeugen.

Zusätzlich fördert die Bundesregierung seit 2022 das Projekt "Kompetenznetz Einsamkeit" (KNE). Das KNE erforscht unter anderem Faktoren zur Vorbeugung und Bekämpfung von Einsamkeit, verbreitet Wissen zum Thema und sensibilisiert die Gesellschaft für einsame Menschen.


Wir alle haben unterschiedliche Biografien. Deshalb gibt es nicht die eine Antwort darauf, wie ihr das Gefühl von Einsamkeit lindern könnt. Wichtig ist, dass ihr es wahrnehmt und anerkennt, wenn ihr einsam seid, aber dem Gefühl dann nicht weiter nachgebt, sondern aktiv etwas dagegen unternehmt. 

Ignoriert oder überspielt eure Einsamkeit nicht. Versucht, mit jemandem darüber zu reden und holt euch Hilfe.

Sucht, pflegt und stärkt bewusst den Kontakt zu eurer Familie und zu Freunden. Gute Beziehungen helfen gegen Einsamkeit. Ehrlich über eure Einsamkeit zu sprechen und zuzugeben, dass es euch gerade nicht gut geht, kann befreiend wirken.

Selektiert und versucht zu erkennen, welche sozialen Kontakte euch guttun. Nicht die Quantität, sondern die Qualität von Beziehungen ist entscheidend. Verbindend sind gemeinsame Überzeugungen und Einstellungen.


Solltest du dich einsam fühlen und keine Idee haben, wie du diesem Gefühl entkommen kannst, findest du nachfolgend einige Links zu Organisationen, die dir helfen möchten.


  • Nummer gegen Kummer: Telefonische Beratung und Unterstützung für Kinder und Jugendliche, anonym und kostenlos.


  • krisenchat.de: Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 Jahren werden hier über WhatsApp oder per SMS an 365 Tagen im Jahr und rund um die Uhr kostenlos, anonym und sofort beraten.


  • TelefonSeelsorge: Die TelefonSeelsorge ist kostenlos per Telefon, Mail und Chat zu erreichen. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter helfen Menschen in Not an jedem Tag im Jahr rund um die Uhr.


  • Redezeit für Dich: Ehrenamtliche ausgebildete Zuhörer unterstützen euch kostenlos über Skype, Zoom, WhatsApp, Facetime oder Telefon bei Unsicherheiten, Selbstzweifeln, Einsamkeit, Wut, Hilflosigkeit, Frust, Unruhe, Überforderung und allem, was einen Menschen belasten kann.



  • Psychologische Beratung der Studierendenwerke: Viele Studierendenwerke bieten ratsuchenden und einsamen Studierenden psychologische Beratungsmöglichkeiten. Der Dachverband der Studierendenwerke bietet eine Suchfunktion für Beratungsangebote in über 40 Städten.


  • [U25]: [U25] ist ein kostenfreies Online-Hilfsangebot für Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 Jahren, das euch bei Suizidgedanken und in Krisen berät.


  • JugendNotmail: Hier beraten ehrenamtliche Psychologen und Sozialpädagogen mit Zusatzausbildung Kinder und Jugendliche in Not vertraulich und kostenlos in ihrer Freizeit per Mail und Chat. Dadurch könnt ihr Hilfe zur Selbsthilfe und Entlastung erfahren.


Vielen Dank fürs lesen und viele Grüße,

Richard



P. S. Für die bessere Lesbarkeit habe ich die maskuline Schreibweise verwendet. Angesprochen sind selbstverständlich immer alle Geschlechter.

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