Hypnosepraxis am Sachsenwald       Richard Petersen 

Psychotherapie / Hypnosetherapie                                                   21465 Reinbek, Am Rosenplatz 8                               

Familienaufstellung

Richard Petersen • Juni 16, 2023

Gefährlich oder hilfreich, Theater oder Therapie?

Heute möchte ich dir ein etwas kontroverses Thema vorstellen. Viele Menschen haben vielleicht schon einmal davon gehört aber können sich nicht so viel darunter vorstellen.

Dieser Beitrag soll dir helfen ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen und Vorurteile aufzulösen.


Familienaufstellung


Bei etlichen Therapeuten und ehemaligen Teilnehmern sträuben sich die Nackenhaare, wenn sie dieses Wort nur hören. Andere dagegen schwärmen von den „unglaublichen“ und schnellen Erfolgen dieser Methode.

Kaum ein therapeutischer Ansatz ist umstrittener als die Familienaufstellung, die vor allem durch Bert Hellinger bekannt wurde.

Doch wie steht es tatsächlich um die Wirksamkeit – und möglicherweise auch die Schädlichkeit – einer Aufstellung?

Dazu muss man zunächst wissen, was sich hinter dem Begriff „Familienaufstellung“ verbirgt.

Allgemein versteht man unter einer Familienaufstellung eine Methode aus der Systemischen Psychotherapie. Diese geht auf die so genannte Familienskulptur zurück, die von Virginia Satir in den 1970er Jahren entwickelt wurde.


Ziel beider Methoden (Aufstellung und Skulptur) ist es,
Beziehungen zwischen Familienmitgliedern oder Mitgliedern einer Gruppe bildhaft darzustellen und so die damit verbundenen Wahrnehmungen, Gefühle und Gedanken bewusst zu machen.

Dabei werden häufig auch bisher unbewusste Konflikte oder ungünstige Beziehungsmuster aufgedeckt. Diese können durch die aktuelle Situation, aber auch durch Einflüsse aus der Vergangenheit geprägt sein.

In der Systemischen Therapie geht man davon aus, dass Gefühle und Verhalten eines Menschen durch Regeln, Verhaltensmuster und Beziehungen innerhalb einer Familie geprägt sind – und das oft über mehrere Generationen hinweg.


Eine Familienaufstellung läuft nach einem ähnlichen Prinzip ab wie die Familienskulptur, findet jedoch häufig in einer Gruppe aus zufällig zusammengewürfelten Personen statt.

Eine Person aus der Gruppe, die ein Problem bearbeiten möchte oder etwas über sich erfahren möchte, meldet sich als „Aufsteller“. Der Aufstellungsleiter stellt nun zunächst Fragen zur Problematik selbst, zur Vorgeschichte des Ratsuchenden und zu den Personen, die bei der Problematik aktuell und in der Vergangenheit eine Rolle gespielt haben.

Anschließend wählt der Aufsteller aus der Gruppe „Stellvertreter“ für diese Personen aus. Auch für sich selbst wählt der Aufsteller einen Stellvertreter. Er stellt diese Personen so im Raum auf, dass sie für ihn in der „richtigen Beziehung“ zueinanderstehen.

Dabei können die Stellvertreter zum Beispiel näher oder weiter voneinander entfernt stehen, sie können sich einander zuwenden, seitlich oder mit dem Rücken zueinanderstehen, sie können in aufrechter, gebückter oder zusammengekauerter Haltung platziert werden.

Anschließend berichten der Stellvertreter des Aufstellers und die einzelnen Familienmitglieder (Stellvertreter), wie es ihnen in ihrer jeweiligen Position geht: Zum Beispiel, welche Gefühle, Gedanken, Körperwahrnehmungen und Handlungsimpulse sie haben. Und wie sich diese Gefühle verändern, wenn die Stellvertreter eine andere Position einnehmen sollen.

Auf diese Weise werden problematische Beziehungsmuster und Beziehungskonflikte sichtbar.

Bekannt wurde die Familienaufstellung vor allem durch den Ansatz der "Klassischen Familienaufstellung" von Bert Hellinger. Die Familienaufstellung bezeichnet er ausdrücklich nicht als Therapie, sondern als „Lebenshilfemethode“. Hinter der Methode steckt eine ausgearbeitete Weltanschauung, die vielfach als zugleich autoritär und esoterisch kritisiert wurde. Inzwischen bieten über 2000 Therapeuten in Deutschland Familienaufstellungen nach Hellinger an.


Hellinger und die von ihm entwickelte Art der Familienaufstellung wurden von Fachleuten und auch in der breiten Öffentlichkeit zum Teil heftig kritisiert.

Die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) distanzierte sich 2003 in einer Stellungnahme ausdrücklich von seinen Methoden.


Kritik an der ethischen Vertretbarkeit und der Methode

Diese Form der Familienaufstellung werde ohne Einbindung in eine längerfristige Therapie und ohne eine persönliche Beziehung zwischen Klient und Behandler durchgeführt.

Familienaufstellungen können bei Beteiligten Zustände auslösen, die therapeutisch aufgefangen werden müssen. Teilnehmer können in eine psychische Instabilität abgleiten. Hellinger vertrete sein Konzept so, als ob dieses absolut gültig sei.

Die Inszenierung im Rahmen von Großveranstaltungen stelle den Klienten bloß und nehme wenig Rücksicht auf seine Gefühle.

Während einer Aufstellung würden zum Teil extrem unsensible, gar demütigende Interventionen durchgeführt. Am Ende der Aufstellung wird der Klient häufig dazu aufgefordert, sich hinzuknien und sich bei Familienmitgliedern zu entschuldigen – selbst dann, wenn diese ihm Unrecht angetan haben.

Hellinger verweigere sich einer kritischen Diskussion und einer wissenschaftlichen Untersuchung seiner Methoden.

Die Praxis der Kurzveranstaltungen suggeriere, dass selbst schwerwiegende Probleme in kurzer Zeit gelöst werden könnten.

Darüber hinaus inszeniere er die Familienaufstellungen von vorneherein so, dass sich zwangsläufig eine bestimmte Lösung ergebe.


Längst aber gibt es neue Ansätze mit positivem Effekt

In den letzten Jahren haben sich parallel zum Ansatz Hellingers eine Reihe weiterer Ansätze der Familienaufstellung entwickelt. Dabei distanzieren sich viele systemisch arbeitende Therapeuten und viele Familienaufsteller inzwischen ausdrücklich von Hellingers Methode.

Gleichzeitig sind in den letzten zehn Jahren Fachgesellschaften entstanden, die sich zum Ziel gesetzt haben, Qualitätsstandards und ethische Richtlinien für Systemaufstellungen zu entwickeln.


Positive Wirkungen von Familienaufstellungen

Eine Familienaufstellung kann durchaus positive Auswirkungen haben – sofern dabei bestimmte Grundregeln beachtet werden, wie sie auch für eine Psychotherapie gelten.


Wo eine Familienaufstellung hilfreich sein kann

Generell kann eine Familienaufstellung eine neue Sichtweise der eigenen Familiengeschichte ermöglichen und zu einer Neubewertung problematischer Verhaltens- und Beziehungsmuster führen.

Gegenüber anderen Therapiemethoden hat eine Familienaufstellung den Vorteil, dass hier die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern bildlich dargestellt werden und dabei das Familiensystem im Ganzen sichtbar gemacht wird.

Da der Klient die Stellvertreter intuitiv im Raum aufstellt, werden oft Beziehungsmuster oder Konflikte aufgedeckt, die ihm vorher so nicht bewusst waren.

Dabei werden zum einen häufig beim Klienten selbst intensive Gefühle ausgelöst, zum anderen werden ihm durch die Stellvertreter auch mögliche Gefühle und Reaktionen der Familienmitglieder verdeutlicht.

Häufig wird den Klienten durch eine Familienaufstellung auch bewusst, wie stark ihr Leben durch ihre Familie und durch unbewusste Verpflichtungen oder Schuldgefühle gegenüber anderen Familienmitgliedern beeinflusst ist.

Durch die Aufstellung erkennen viele Ratsuchende, dass sie keine Schuld an ihrem Leid trifft, da sich dieses gar nicht hätte verhindern lassen.

Auch die Bearbeitung der aufgestellten Szene ist häufig mit intensiven Gefühlen verbunden – zum Beispiel, wenn die Positionen der Familienmitglieder verändert werden oder wenn der Klient den Stellvertretern gegenüber Dinge sagt, die er zum Beispiel dem Vater oder der Mutter schon lange mitteilen wollte.

Es wird vermutet, dass durch diese starken Eindrücke und Gefühle intensivere und dauerhaftere Veränderungen ausgelöst werden können als bei anderen Therapieformen.


Soll eine Familienaufstellung günstige therapeutische Auswirkungen haben, sollten unbedingt folgende Aspekte berücksichtigt werden:

Die Klienten sollten auf die Aufstellungsarbeit im Vorfeld sorgfältig vorbereitet werden und auch hinterher therapeutisch begleitet werden.

Eine Familienaufstellung sollte nicht in Großgruppen durchgeführt werden, bei denen es vor allem um den publikumswirksamen Effekt geht.

Der Therapeut sollte die Sichtweise und die Interpretationen des Klienten immer respektieren und ihm nicht seine eigene Sichtweise aufdrängen.

Die Aussagen von „Stellvertretern“ sollten als Hypothesen gewertet werden, die der Klient als nützlich einschätzen, oder auch als nicht passend oder nicht nützlich verwerfen kann.

Der Behandler sollte die Autonomie des Ratsuchenden fördern – zum Beispiel, indem er die Entscheidung für eine Veränderung immer dem Klienten überlässt.

Falls die Aufstellung nicht im Rahmen einer Psychotherapie stattfindet, sollte der Aufstellungsleiter den Klienten zumindest ausdrücklich darauf hinweisen, dass er Unterstützung suchen soll, falls es hinterher zu problematischen Auswirkungen kommt.


Aufstellungen in der Einzelarbeit

Auch in der Einzeltherapie kann die Methode der Aufstellung angewandt werden. Anstelle von Personen werden dann Symbole, z. B. Holzfiguren als Stellvertreter der Familienmitglieder aufgestellt.


Organisationsaufstellungen

Eine weitere Form der Aufstellung, die in den letzten Jahren immer häufiger zum Einsatz kommt, ist die Organisationsaufstellung. Dabei geht es um berufliche Fragen wie zum Beispiel Mobbing, Konflikte in der Arbeitsgruppe oder Schwierigkeiten im Unternehmen. Bei dieser Art der Aufstellung lassen sich Dynamiken in beruflichen Systemen sichtbar machen.


Fazit

 Die Familienaufstellung ist nicht als ein eigenständiges Therapieverfahren, sondern am ehesten als ein Therapiebaustein zu betrachten, der nicht in einer isolierten Veranstaltung, sondern besser eingebettet in eine Psychotherapie bei einem qualifizierten Therapeuten eingesetzt werden sollte. In erster Linie dient sie dem Gewinnen von neuen Erkenntnissen über das „System Familie“. Dieses Wissen kann eine Psychotherapie unterstützen und Ausgangspunkt weiterer therapeutischer Maßnahmen sein.

Quelle: Therapie.de


Ich selbst biete in meiner Praxis Familienaufstellung an, wenn Klient und ich einen vorteilhaften Effekt einer Aufstellung für sein Thema erkennen. In jedem Fall werde ich vorab über Familienaufstellung informieren, aber niemals eine Aufstellung forcieren. Mein Angebot verfolgt ausschließlich den systemischen Ansatz der Familienaufstellung und nur in der Einzelarbeit. Die klassische Variante nach Hellinger lehne ich ab.

Aus eigener Erfahrung, sowohl als Aufstellungsleiter, Aufsteller und Stellvertreter kann ich die positiven Auswirkungen einer Aufstellung im Rahmen einer Psychotherapie ausdrücklich bestätigen. Durch die gewonnenen Erkenntnisse kann der Klient anschließend entscheiden, wie er weiter vorgehen möchte.

Manchmal steht als Ergebnis auch, dass ein Thema abgeschlossen werden kann.


Falls du Personen in deinem Umfeld kennst, die an systemischer Familienaufstellung interessiert sind, darfst du meine Kontaktdaten sehr gerne weitergeben. :-)

Solltest du selbst neugierig geworden sein, melde dich einfach ganz unverbindlich.


Viele Grüße

Richard


P. S. Für die bessere Lesbarkeit habe ich die maskuline Schreibweise verwendet. Es sind selbstverständlich immer alle Geschlechter angesprochen.


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