Hypnosepraxis am Sachsenwald       Richard Petersen 

Psychotherapie / Hypnosetherapie                                                   21465 Reinbek, Am Rosenplatz 8                               

Der False-Memory Effekt

Richard Petersen • März 22, 2024

Das Phänomen der falschen Erinnerungen

Du erinnerst dich ganz genau an etwas, doch tatsächlich war alles ganz anders?! Dahinter steht der False-Memory Effekt.

Viele Menschen haben solche Pseudoerinnerungen schon erlebt. Zu vergangenen Urlauben, Kindheitserinnerungen oder einem früheren Arbeitsverhältnis.

Das Gedächtnis spielt uns hierbei einen Streich, doch kann das zu ernsten Problemen führen.


Der False-Memory Effekt, auch False-Memory Syndrom genannt, ist ein Phänomen der falschen Erinnerungen, bei denen Betroffene überzeugt sind, dass diese tatsächlich wahr sind und genauso in der Vergangenheit passiert sind. Tatsächlich sind diese Pseudoerinnerungen aber entweder komplett falsch oder zumindest in weiten Teilen nicht so abgelaufen, wie es das Gedächtnis vorspielt.


Solche Falscherinnerungen können sich auf Alltägliches beziehen, treten aber ebenso bei negativen bis traumatischen Ereignissen auf. Der False-Memory Effekt ist eine Gedächtnistäuschung, bei denen man sicher ist, etwas erlebt zu haben, obwohl es nie (oder nicht auf diese Weise) passiert ist.


Wir glauben, dass unsere Erinnerung eine exakte Wiedergabe der Vergangenheit ist. Denken wir an bestimmte Ereignisse zurück, erinnern wir uns an Abläufe, Details und Eindrücke. Allerdings gibt es keine Garantie, dass unser Gedächtnis stimmt.

Es kann viele Ursachen für den False Memory Effekt geben. Eine falsche Erinnerung entsteht meist aus einem der folgenden Gründe:


Schnelle Verarbeitung von Situationen
Je weniger Zeit wir haben, um eine Information wahrzunehmen und zu verarbeiten, desto leichter kommt es zu Pseudoerinnerungen. Das zeigt sich beispielsweise bei Zeugenaussagen, wo verschiedene Zeugen von Straftaten ganz unterschiedliche Täterbeschreibungen abgeben.

Auch bei einem Unfall erinnern sich Betroffene oft nicht korrekt, weil die Situation sehr plötzlich auftritt und ebenso schnell wieder vorbei ist.


Wiederholung
Wenn wir eine Geschichte oft genug erzählen, glauben wir irgendwann selbst, dass diese wahr ist. Das passiert beispielsweise, wenn wir eine Erzählung erweitern, um sie spannender oder beeindruckender zu machen. Anfangs haben wir dann selbst die Zusätze erfunden, nach genügend Wiederholungen sind wir aber überzeugt, dass diese wirklich passiert sind.


Emotionale Bedeutung
Erinnerungen und Emotionen sind eng verbunden. Je größer die emotionale Bedeutung einer Situation, desto besser und genauer werden wir uns in Zukunft daran erinnern. Diese Erinnerungen werden besonders gut ins Langzeitgedächtnis übertragen, weil sie mit starken Emotionen verbunden sind.

Falsche Erinnerungen treten somit häufiger auf, wenn die emotionale Bindung fehlt.


Vermischung
Das Gehirn kann oft nicht zwischen echter Erinnerung und späteren Informationen unterscheiden. Insbesondere Fotos führen dazu, dass sich die Abbildungen mit den eigenen Erinnerungen vermischen und diese sogar verdrängen. Filme können denselben Effekt haben. Betroffene sehen eine Szene und meinen, etwas Ähnliches selbst erlebt zu haben, obwohl dies in Wirklichkeit niemals passiert ist.


Suggestion
Eine große Gefahr beim False-Memory Effekt: Die Pseudoerinnerungen können durch Suggestion von außen erzeugt und Betroffenen regelrecht eingepflanzt werden. Forschende konnten durch verschiedene Suggestiv-Techniken falsche Erinnerungen erzeugen, von denen Teile der Probanden später felsenfest behaupteten, es seien ihre eigenen.


Ich habe dir einige Beispiele für den False-Memory Effekt zusammengestellt:


Kindheitserinnerungen

Je länger die Kindheit zurückliegt, desto leichter kommt es dabei zu Pseudoerinnerungen. Betroffene meinen sich an Situationen in Ihrer Jugend zu erinnern, die sich so nie zugetragen haben. Entweder waren die Betroffenen gar nicht dabei, sondern kennen die Ereignisse selbst nur aus Erzählungen.

Oder es werden Dinge erinnert, die es nie gegeben hat. Da die eigenen Erinnerungen zur Kindheit oft nur bruchstückhaft sind, kann hier leicht manipuliert werden.

In einer Studie wurde den Teilnehmenden vorgemacht, sie seien als Kind mitten in der Nacht aufgrund von Fieber ins Krankenhaus eingeliefert worden. Jeder fünfte Proband war anschließend davon überzeugt und übernahm die Pseudoerinnerung als eigene Kindheitserinnerung.


Der Bugs-Bunny-Effekt

Zu dem Phänomen gehört ebenso der Bugs-Bunny-Effekt der amerikanischen Psychologin Elizabeth Loftus.

In ihrem Experiment suggerierte sie Studierenden, dass diese als Kind einen Walt-Disney-Park besuchten und dabei die bekannte Hasenfigur Bugs Bunny trafen. Sogar ein Foto hätten die Probanden mit der Figur gemacht.

Bis zu 35 Prozent der Teilnehmenden konnten sich anschließend lebhaft daran erinnern und erzählten davon, wie sie Bugs Bunny die Hand geschüttelt haben.

Ein schönes Beispiel für eine Pseudoerinnerung: Die Probanden hätten Bugs Bunny niemals im Disney-Park treffen können – der Hase gehört dem Disney-Konkurrenten Warner Brothers.


Urlaubserinnerungen

Du erzählst von deinem schönsten Urlauben, doch muss nicht alles davon wirklich genau so passiert sein. In der Erinnerung können die Erlebnisse beschönigt oder auch dramatisiert werden.

Vielleicht erinnerst du dich an dauerhaften Regen. In Wahrheit hat es aber nur zwei Tage geregnet. Das kann schon ausreichen, um rückblickend deinen Gesamteindruck zu trüben. Alles andere wird überschattet und du hast nur noch das Negative im Kopf.


Joberinnerungen

Ähnlich wie beim Urlaub zeigt sich der False-Memory Effekt oft beim Job. Wenn du ein paar Jahre nach einem Jobwechsel zurückblickst, spielt dir dein Gehirn dabei gerne einen Streich. Du hast viele neue berufliche Eindrücke gesammelt, die ältere Erinnerungen verdrängt haben. Betroffene sehen zum Beispiel die gesamte damalige Zusammenarbeit als Phase der Unzufriedenheit, obwohl in Wahrheit nur die letzten Wochen vor der Kündigung ein Problem waren.


False Memory Effekt und Mandela-Effekt

Wie falsch Erinnerungen sein können, zeigt auch der Mandela-Effekt – das Phänomen der "kollektiven Falscherinnerung".

Beim Mandela-Effekt können sich gleich mehrere, manchmal sogar viele Menschen an etwas erinnern, das nie stattgefunden hat.

Benannt ist der Mandela-Effekt nach dem südafrikanischen Freiheitskämpfer Nelson Mandela, von dem viele glauben, er sei bereits in den 1980er Jahren im Gefängnis gestorben.

Nachweislich falsch! Mandela starb erst 2013 an einer Lungenentzündung. Zuvor war er sogar Präsident Südafrikas.


Bei traumatischen Erlebnissen tritt der False-Memory Effekt oft als Selbstschutz auf. In der Erinnerung werden einige besonders schlimme und negative Erlebnisse verändert, weggelassen oder ausgetauscht. Das macht die Verarbeitung der Geschehnisse für Betroffene leichter, führt aber zu Pseudoerinnerungen.

Beispiel: Während einer Hypnosetherapie „erinnert“ sich eine Frau in der Trance an einen sexuellen Missbrauch als Kind. Das Gesicht des Täters sieht sie nicht, erklärt aber, dass es nur der damalige Nachbar gewesen sein kann. Denn sie kann das Zimmer, in dem sie missbraucht wurde genau beschreiben. Ihre Eltern waren mit den Nachbarn befreundet und sie war mehrfach dort zu Besuch.

Diese hässliche Blumentapete, der massive Eichenschrank gegenüber des Sofas, auf dem der Missbrauch stattgefunden hat und der große Gummibaum in der Ecke daneben.

Tatsächlich zierte das Blumenmuster die Wohnzimmertapete ihres eigenen früheren Zuhauses, den Eichenschrank hatten die Eltern ihrer damals besten Freundin erst kurz zuvor gekauft, und der Gummibaum war Omas ganzer Stolz.

Quelle: Karrierebibel


Vielen Dank fürs Lesen und viele Grüße,

Richard


P. S. Wenn ich die maskuline Schreibweise verwendet habe, dann ausschließlich für die bessere Lesbarkeit. Angesprochen sind selbstverständlich immer alle Geschlechter.

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