Hypnosepraxis am Sachsenwald       Richard Petersen 

Psychotherapie / Hypnosetherapie                                                   21465 Reinbek, Am Rosenplatz 8                               

Das Schweigen der Männer

Richard Petersen • Dez. 08, 2023

Männer und Depressionen

Männlichkeitsideale als Ursache? Psychologische Hilfsangebote werden von Männern deutlich seltener genutzt.


Viele Männer haben psychische Probleme, verdrängen sie aber. Seltener als Frauen nehmen sie Hilfe in Anspruch – und nicht wenige flüchten in Alkohol und Aggression, sagen Experten. Warum ist das so? Und welche Folgen hat das?


Übermüdet, überlastet, erdrückt von angestautem Stress und gequält durch unbewältigte Tiefs: Viele Männer in Deutschland haben psychische Probleme, ignorieren das aber und nehmen keine Hilfe in Anspruch, wie Fachleute zum Internationalen Männertag (19. November) herausstellen.


Insbesondere psychische Erkrankungen sind für viele nicht vereinbar mit dem klassischen Männlichkeitsideal.

Die Orientierung an traditionellen Männlichkeitsnormen, also "stark und erfolgreich zu sein, Probleme allein zu lösen, durchzuhalten und keine Gefühle zu zeigen“, ist bei älteren Männern noch ausgeprägter als bei Jüngeren.

Diese Haltung kann sehr selbstschädigend sein.


Viele Männer haben aufgrund ihrer Sozialisation nur einen sehr eingeschränkten Zugang zu ihrer Gefühlswelt. Sie verdrängen und bagatellisieren ihre psychischen Probleme.

Vor allem Depressionen werden oft als Ausdruck von persönlicher Schwäche und Versagen missverstanden.

So mancher versucht dies dann, mit „männlichen Strategien“ zu kompensieren.

Also mehr Aggression und Wut, mehr Alkohol, mehr sozialer Rückzug, viel mehr Arbeit, viel mehr Sport, mehr Risikoverhalten und/oder Flucht ins Virtuelle.


Jeder vierte Erwachsene in Deutschland ist innerhalb eines Jahres von einer psychischen Erkrankung betroffen - etwa jede dritte Frau und jeder vierte bis fünfte Mann.

Männer leiden häufiger an einem Substanzmissbrauch, also Abhängigkeit oder Missbrauch von Alkohol oder illegalen Drogen. Dagegen wird eine Depression bei ihnen nur etwa halb so oft diagnostiziert wie bei Frauen. Allerdings könnten Depressionen bei Männern mitunter übersehen werden.


Gerade bei Depressionen gehen Experten von einer hohen Dunkelziffer und Unterdiagnostizierung aus. Nicht erkannte Depressionen können folgenschwer sein. Erwerbsunfähigkeit, sozialer Abstieg, Vereinsamung, Angsterkrankungen, Diabetes, Schlaganfall, eine allgemein erhöhte Sterblichkeit.

Und: Die Suizidrate von Männern ist mindestens dreimal so hoch wie die von Frauen.


Generell treten psychische Störungen unabhängig vom Beruf auf, heißt es in Fachkreisen. Allerdings gibt es Risikoberufsgruppen mit einem hohen Männeranteil, in denen es häufiger als in der Allgemeinbevölkerung zu psychischen Störungen kommt.

Unter anderem Bundeswehr, Rettungswesen und auch Polizei seien hier erwähnt.

Belastungen können hier extrem und traumatisch sein, zugleich sind traditionelle Männlichkeitsnormen eher stark ausgeprägt. Als häufigste Störungen gelten hier Posttraumatische Belastungsstörungen und Depressionen.

Ganz grundsätzlich sind Männer viel stärker von beruflichen Stressoren belastet als Frauen.


Aber nicht nur ihre Ideale scheinen Männern öfter im Weg zu stehen. Frauen können Symptome auch besser erkennen und benennen als Männer. Es gibt deutliche Geschlechterunterschiede bei der Inanspruchnahme des Gesundheitssystems. Die Hilfsangebote werden von Männern viel seltener genutzt.

Unter Menschen mit psychischen Problemen sind ohnehin nur eine Minderheit in therapeutischer Behandlung - Männer dabei noch seltener als Frauen.


Wer eine Psychotherapie benötigt, befindet sich in einer geschwächten Lebenssituation, muss aber Monate lang auf einen (kassenfinanzierten) Therapieplatz warten.

Der aktuelle Mangel an Therapieplätzen ist hoch problematisch. Die aktuelle Wartezeit beträgt ca. 5,5 Monate.


Jede Depression ist anders, fühlt sich anders an. Für Betroffene ist es schwierig, ihr Leben mit der Erkrankung so zu beschreiben, dass der Schmerz für andere Menschen greifbar wird.


„Es kommt eine Zeit, wenn die Zukunft so extrem leer aussieht – wie eine schwarze Wand des Nichts“, beschreibt etwa der englische Schriftsteller und Schauspieler Stephen Fry sein Leben mit einer manisch-depressiven Störung.

Der 33-jährige Brite Jake Tyler, der 2017 im Kampf gegen seine Depression durch ganz Großbritannien lief, findet dagegen andere Worte für seine Erkrankung: „Eine Depression fühlt sich für mich wie eine Prüfung an, bei der ich weiß, dass ich durchfallen werde.“


Ähnliche Gedanken und Gefühle begleiten viele Männer, die an einer Depression erkrankt sind. Und doch bleibt die Krankheit gerade bei ihnen zu oft noch unentdeckt – mit teils schwerwiegenden Folgen.

Zwar leiden in Deutschland etwa doppelt so viele Frauen an einer (diagnostizierten) Depression wie Männer, jedoch ist die Suizidrate bei Männern Statistiken zufolge bis zu dreimal so hoch.

Am häufigsten erfolgen Suizide nach Angaben der Deutschen Depressionshilfe vor dem Hintergrund einer unzureichend behandelten Depression.

 

Die o. g. Autoren Fry und Tyler können aus erster Hand berichten, was das Gefühl der Leere mit Betroffenen machen kann.

Fry überlebte 2012 nur knapp einen Suizidversuch, nachdem er eine Überdosis an Tabletten zu sich nahm.

Tyler wollte sich 2016 kurz vor seinem 30. Geburtstag das Leben nehmen, weil er sich nach zahlreichen Jahren mit der Depression nicht mehr an das Gefühl erinnern konnte, glücklich zu sein.

Bis zu diesem Zeitpunkt verschwieg Tyler seine überfordernden Gedanken und Gefühle. Genau das ist ein großes Problem bei vielen Männern, die mit der Erkrankung zu kämpfen haben.


„Männern fällt es schwerer, mit Ärzten oder nahestehenden Menschen über Depression und Suizidgedanken zu reden. Dabei wäre es in dieser Situation wichtig, dass sie mit Vertrauenspersonen über ihre Gefühle und Gedanken sprechen“.

Ulrich Hegerl, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe


Daher ist es auch schwieriger, bei Männern eine Depression überhaupt zu erkennen, obwohl es bei den Diagnosekriterien zwischen den Geschlechtern grundsätzlich keine Unterschiede gibt.

Bei der Diagnostik einer Depression bei Männern gibt es dennoch Defizite. Die Forschung hat sich bislang primär auf das gestützt, was leichter festzustellen ist.

Frauen könnten ihre Sorgen und Emotionen besser wahrnehmen und äußern – daher werde eine Depression bei ihnen auch schneller erkannt.


Gewisse Symptome treten bei Männern durchaus häufiger auf – beispielsweise neigen depressive Männer eher zu Aggressivität, Gereiztheit und Suchtverhalten.

Im Vergleich zu Frauen löst eine Depression bei Männern zudem seltener eine Antriebsarmut aus, stattdessen "zwingen" sie sich, aktiv zu sein und exzessiv Leistungen zu erbringen.

Deswegen ahnt man bei vielen Männern erst gar nicht, dass sie an einer Depression erkrankt sind. Manche Männer treiben beispielsweise exzessiv Sport, um ihre Gefühle und Gedanken zu verdrängen.


„Bei den Diagnosekriterien einer Depression bei Männern gibt es Defizite.“

Christa Roth-Sackenheim, Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychiater*innen

 

Zu den Hauptsymptomen einer Depression zählen vor allem ein Verlust von Interesse und Freude, eine niedergedrückte Stimmung und ein verminderter Antrieb, die seit mindestens zwei Wochen bestehen. Weitere häufige Symptome sind beispielsweise Schuldgefühle, Gefühle von Wertlosigkeit sowie Schlafstörungen.


Bei diesen Kernsymptomen gibt es keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Die Vorstellung, dass Männer ganz andere Krankheitszeichen haben, stimmt nicht.


Bei einer Depression gibt es dennoch geschlechterspezifische Unterschiede, die man berücksichtigen muss. Beispielsweise ist eben die Bereitschaft, sich Hilfe zu suchen, bei Männern viel geringer als bei Frauen.

Daraus folgt, dass Männer oft auch erst in einem höheren Alter in Behandlung sind. Wenn sich Männer in Behandlung begeben, sind die Symptome oft bereits weit fortgeschritten oder bestehen schon relativ lange.

Das liegt auch daran, dass Männer, aber auch Ärztinnen und Ärzte oft andere Ursachen für ihre Symptome vermuten.

So werden etwa Schlaflosigkeit, Antriebslosigkeit oder Konzentrationsstörungen eher auf den Stress bei der Arbeit geschoben.

Ein weiteres großes Problem ist, dass Männer Angst davor haben, wegen ihrer Erkrankung in ihrem Umfeld diskriminiert zu werden – und sich daher wiederum keine Hilfe suchen.

Auch gesellschaftlich verankerte Rollenbilder wie „Männer weinen nicht“ erschweren es Männern, eine Ärztin oder einen Arzt aufzusuchen.

Anders gesagt: Männer "dürfen" nur dann als krank gelten, wenn ihr Körper krank ist – alles andere wäre schwach.

Und der Mann darf sich keine Schwäche erlauben, so immer noch die weitverbreitete Annahme.

 

Hinsichtlich der Ursachen der Depression gibt es keine generellen Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Eine Depression ist mehr als eine Reaktion auf schwierige Lebensumstände, sie ist eine eigenständige, schwere psychische Erkrankung. Das zu verstehen ist für Betroffene sehr wichtig.

Eine Veranlagung zu Depression ist vermutlich die entscheidende Ursache. Wenn man eine Veranlagung hat, könnten äußere Umstände der Auslöser einer Depression sein. Ohne diese Veranlagung ertragen Menschen schwere Lebenseinschnitte häufig, ohne zu erkranken.

Die Sorgen, die Betroffene bei einer Depression begleiten, sind individuell unterschiedlich. Die Depression „holt“ sich ihre Themen aus dem jeweiligen Lebensumfeld. Deswegen haben Männer bei einer Depression auch oft andere Sorgen und Gedanken als Frauen.


Die Probleme können, müssen aber nicht der Auslöser einer Depression sein.

Menschen können laut der Deutschen Depressionshilfe selbst dann an einer Depression erkranken, wenn positive Veränderungen in ihrem Leben eintreten. Also etwa auch bei einer glücklichen Beziehung oder Erfolg im Berufsleben.

Von außen lässt sich eine Depression deshalb auch selten erkennen.

Auch bei dem 2014 gestorbenen Schauspieler Robin Williams hätten wohl nur die wenigsten Menschen vermutet, dass er an einer schweren Depression litt.

 

Laut einer Studie der Deutschen Depressionshilfe waren 2016 11,3 Prozent der Frauen und 5,1 Prozent der Männer in Deutschland an einer Depression erkrankt – dabei handelt es sich allerdings nur um diagnostizierte Erkrankungen. Aber wie erwähnt suchen sich Männer bei einer Depression seltener Hilfe, und die Erkrankung wird bei ihnen mitunter auch gar nicht erkannt.

Diese Faktoren tragen zu einer hohen Dunkelziffer an depressiven Männern bei.


Bei einer Depression sind – unabhängig vom Geschlecht – Antidepressiva und Psychotherapie die wichtigsten Säulen der Behandlung, heißt es bei der Deutschen Depressionshilfe.

Männer haben mitunter jedoch Vorbehalte gegen die Medikamente, weil sie befürchten, dass Nebenwirkungen wie Erektions- oder Orgasmusstörungen bei einigen Gruppen von Antidepressiva auftreten. Inzwischen sind jedoch Medikamente auf dem Markt, bei denen solche Nebenwirkungen kaum oder gar nicht auftreten.


Betroffene sollten bei Symptomen einer Depression zunächst ihren Hausarzt aufsuchen, um mögliche körperliche Ursachen einer Depression auszuschließen.

Beim Erstkontakt mit Psychiaterinnen und Psychiatern wird oft deutlich, wie viele Sorgen und Probleme sich bei depressiven Männern angestaut haben.

Oft erleben Ärzte oder Therapeuten, dass bei Männern ein großer Redeschwall ausbricht, wenn sie sich in Behandlung begeben – denn viele Betroffene tragen ihre belastenden Gefühle und Gedanken schon ihr ganzes Leben lang mit sich.

Hilfe für Betroffene.

Quelle: RND.de


Du leidest an Depressionen oder krankhafter Niedergeschlagenheit oder hast düstere Gedanken? Bitte hol dir Hilfe.

Bei Notfällen kannst du unter 112 den Notarzt rufen.

 

Das Infotelefon Depression hat die Telefonnummer (0800) 33 445 33.

Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr erreichbar unter den Telefonnummern

(0800) 11 10 111 oder (0800) 11 10 222 oder 116 123.


Betroffene können ihre Erfahrungen im moderierten Onlineforum www.diskussionsforum-depression.de austauschen.

Weitere Informationen für Betroffene und Angehörige gibt es etwa bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe im Internet: www.deutsche-depressionshilfe.de.


Vielen Dank fürs Lesen und viele Grüße,

Richard


P. S. Für die bessere Lesbarkeit habe ich die maskuline Schreibweise verwendet. Angesprochen sind selbstverständlich immer alle Geschlechter.

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