Hypnosepraxis am Sachsenwald       Richard Petersen 

Psychotherapie / Hypnosetherapie                                                   21465 Reinbek, Am Rosenplatz 8                               

Anorexie Teil 2

Richard Petersen • Sept. 21, 2023

Ursachen, Behandlung, Verlauf, Prognose und Klaras Freundin Ana

Hier nun der zweite Teil über Anorexia Nervosa. Den ersten Teil kannst du hier noch einmal nachlesen.

Heute erhältst du Informationen über Ursachen, Behandlung, Verlauf und Prognose dieser schweren psychischen Erkrankung.


Und ich stelle dir Klaras geheimnisvolle Freundin Ana vor.


Ursachen

Neuere wissenschaftliche Hypothesen gehen von einer gestörten Stressverarbeitung als zentrale Ursache der Magersucht aus. Solche Störungen können genetische Ursachen haben, bereits durch Einflüsse im Mutterleib angelegt werden oder durch frühe Erfahrungen geprägt oder verstärkt werden.

Die Gene scheinen bei der Anorexie eine entscheidende Rolle zu spielen. So tritt die Krankheit in manchen Familien gehäuft auf. Auch Zwillingsstudien belegen einen deutlichen Zusammenhang zwischen der genetischen Ausstattung eines Menschen und dem Auftreten der Magersucht.

Wie genau die Gene das Krankheitsrisiko beeinflussen, ist jedoch unklar.


Wie bei vielen psychischen Erkrankungen ist der Botenstoffwechsel im Gehirn auch bei Magersüchtigen gestört. Bei ihnen ist unter anderem der Spiegel des Neurotransmitters Serotonin erhöht. Der Botenstoff beeinflusst Essverhalten und Sättigungsgefühl.

Die typischen Symptome der Essstörung wie Angst vor der Gewichtszunahme und die Körperschemastörung lassen sich dadurch jedoch nicht erklären.

Zu Beginn der Pubertät haben Mädchen das höchste Risiko, an Magersucht zu erkranken. Manche Experten vermuten, dass eine generelle Überforderung in dieser Lebensphase voller Umbrüche eine Magersucht auslösen kann. Erwachsen zu werden, zur Frau zu werden, das scheint manchen Mädchen bedrohlich. Sie lehnen daher auch den Wandel ihres kindlichen Körpers zu dem einer erwachsenen Frau ab.

Magersüchtige geben in Gesprächen mit Therapeuten häufig an, dass der Wunsch nach Kontrolle über den eigenen Körper eine der größten Motivationen für das Hungern sei. Dieses Kontrollbedürfnis wird über die strenge Diät ausgelebt.

Anorektiker sind zudem oft wenig selbstbewusst. Die scheinbare Kontrolle über den eigenen Körper stärkt das Selbstbewusstsein zunächst. Das Hungern wird auf diese Weise belohnt, was wiederum das essgestörte Verhalten verstärkt.

Die Weigerung, zu essen, kann in Konfliktsituationen auch als Machtinstrument gegenüber den Eltern verwendet werden.

Dass sich Eltern Sorgen um ihr hungerndes Kind machen, merken Anorektiker schnell. Gleichzeitig kann die Nahrungsaufnahme von den Eltern aber kaum erzwungen werden. Betroffene erreichen so eine Machtposition, aus der sie die Eltern unter Druck setzen können.

Das westliche Schönheitsideal propagiert derzeit unnatürlich schlanke Körper. Der Druck, schlank zu sein, wird durch sehr dünne Vorbilder aus den Medien verstärkt. Das Gewicht von Models liegt (teilweise weit) unterhalb des Normalgewichts. Durch dieses verzerrte Körperideal gewinnen Kinder und Jugendliche ein unrealistisches Bild davon, wie dünn oder dick ein Mensch normalerweise ist.


Behandlung

Bei einem Verdacht auf Anorexie ist der Kinder- oder Hausarzt ein guter erster Ansprechpartner.

Wichtige Informationen über den körperlichen Allgemeinzustand erhält der Arzt durch die Bestimmung verschiedener Blutwerte. So lassen sich beispielsweise die Funktion der Leber und der Nieren sowie die Blutbildung überprüfen und gefährliche Störungen im Salzhaushalt (Elektrolythaushalt) erkennen.


Anorexie ist mehr als ein außer Kontrolle geratenes Schönheitsideal. Sie ist eine sehr ernst zu nehmende und lebensbedrohliche Krankheit, die professioneller Behandlung bedarf.


Die wichtigsten Ziele der Magersucht-Behandlung sind:

  • Normalisierung des Gewichts
  • Veränderung des Essverhaltens
  • Wiederherstellung einer normalen Wahrnehmung des Körpers
  • Therapie individueller und familiärer Probleme


Anorexie geht sowohl mit körperlichen als auch mit seelischen Symptomen einher. Aus diesem Grund erfolgt die Behandlung meist in Zusammenarbeit eines multiprofessionellen Teams. Zu einem solchen Team gehören Ärzte, Psychologen, Diätassistenten und gegebenenfalls noch weitere Spezialisten.

Magersüchtige Menschen können ambulant, stationär oder teilstationär betreut werden. Meist ist jedoch eine stationäre Behandlung in einer auf Magersucht spezialisierten Klinik notwendig.

Das gilt besonders für Patienten mit einem Körpergewicht von weniger als 75 % des Normalgewichts, einer lebensbedrohlichen körperlichen Verfassung oder Suizidgefahr aufgrund von Depressionen.


Therapieziel ist eine langfristige Verhaltensänderung und nicht nur eine kurzzeitige Gewichtserhöhung!


Besonders erfolgreich für die Behandlung von Magersucht scheint die "fokale psychodynamische Therapie". Diese Weiterentwicklung der Psychoanalyse wurde speziell auf Menschen mit Anorexie zugeschnitten. Sie behandelt die Ursachen der Magersucht und hilft den Patienten bei der Bewältigung des Alltags.

Im Mittelpunkt steht hier der Umgang mit Emotionen. Dabei werden vor allem die individuellen Auslöser für diese Krankheit ergründet. Ohne die seelischen Wurzeln der Erkrankung zu behandeln, ist die Gefahr eines Rückfalls sehr hoch.

Daher gehören zur Behandlung der Magersucht regelmäßige psychotherapeutische Stunden in Einzel- und/oder Gruppensitzungen. In diesen Sitzungen wird auch an der Festigung eines realistischen Körperbildes gearbeitet.

Die Gruppentherapie ist eine sinnvolle Hilfe bei Magersucht. Die Patienten können ihre Erfahrungen mit anderen Betroffenen austauschen und sehen, dass sie mit dem Problem nicht allein sind.

Vor allem bei jungen Patienten kann eine Familientherapie sehr wirksam sein, weil die Magersüchtigen für die Heilung die Unterstützung der Familie benötigen.

 Die Familienmitglieder sind mit der Krankheit häufig überfordert. Eine gute Anleitung und ein Ansprechpartner für die Familie helfen sowohl dem Patienten, sich zu Hause zurechtzufinden, als auch den Familienmitgliedern, mit der Situation umzugehen.


Medikamente

Bisher gibt es kein Medikament, das die Gewichtszunahme erfolgreich unterstützt.

In vielen Fällen treten neben der Magersucht aber noch weitere psychische Störungen auf, zum Beispiel eine Depression oder Zwangsstörungen. Diese Störungen können unter anderem mit Medikamenten behandelt werden.


Verlauf und Prognose

Eine Anorexia nervosa kann individuell sehr unterschiedlich verlaufen. Grundsätzlich gilt: Je jünger die Patienten sind, desto besser sind die Heilungschancen. Außerdem hängt die Prognose auch maßgeblich davon ab, wie niedrig das Gewicht ist, wie lange der Patient bereits anorektisch ist und über welche körperlichen und mentalen Ressourcen er verfügt. Zudem ist die Unterstützung des sozialen Umfelds und vor allem der Familie extrem wichtig für die Genesung der Betroffenen.

Zur Wahrheit gehört leider auch, dass nicht jeder Magersüchtige vollständig geheilt werden kann. Man geht davon aus, dass etwa 50 % der Betroffenen lebenslang mit der Krankheit zu kämpfen hat. Auch nach einer Gewichtsnormalisierung hält bei vielen Betroffenen die verzerrte Einstellung zu Gewicht und Figur an.

Bei ca. 10 % der Anorektiker nimmt die Erkrankung einen tödlichen Verlauf!

Etwa 20 % der Betroffenen entwickeln – ausgehend von der Anorexie – eine andere Essstörung, die Bulimie (Ess-Brech-Sucht). Hierbei handelt es sich um eine Essstörung, bei der in Heißhungerattacken viel Nahrung in kurzer Zeit aufgenommen wird, um sie gleich darauf wieder zu erbrechen.

Es ist nicht überraschend, dass eine Anorexie, die bereits in der Kindheit oder im frühen Jugendalter beginnt, besonders gravierende Folgen hat. Erhebliche Entwicklungsverzögerungen, sowohl körperlich wie auch geistig, sind eine typische Folge der Mangelernährung. Der Eintritt in die Pubertät verzögert sich und das Wachstum ist gestört. Die körperlichen Auswirkungen der Anorexie sind oft schwerwiegend, denn die Mangelernährung schädigt sämtliche Organe und nicht immer erholt sich der Körper davon vollständig.

Die Genesung ist ein langwieriger Prozess mit Fort-, aber oft auch mit Rückschritten. Auch nach einem Klinikaufenthalt ist eine längere therapeutische Betreuung notwendig.

Aber die gute Nachricht ist: Die Anstrengung lohnt sich!

Etwa die Hälfte der Betroffenen überwinden die Anorexie mit therapeutischer Hilfe weitgehend. Je kürzer die Dauer der Anorexie, desto besser die Prognose.

Quelle: NetDoctor


Zum Schluss möchte ich dir nun, wie versprochen, Klaras geheimnisvolle Freundin Ana vorstellen. Von Ana weiß Klara, wie man sich am besten übergibt, und dass Watte den Hunger stillen kann, ohne die verhassten Kalorien aufzunehmen.

Ana ist immer an Klaras Seite, immer für sie da, und lobt sie für jedes weitere abgenommene Gewicht.

Ana ist allerdings kein Mensch.


„Pro Ana“ ist eine Bewegung im Internet, die Anorexie nicht als Krankheit begreift, sondern als selbst gewählten Lebensstil verherrlicht.

„Ana“ steht für Anorexie, „pro“ verdeutlicht das Bekenntnis zur Magersucht. Auf den entsprechenden Internetseiten tauschen sich vor allem Mädchen darüber aus, wie sie noch mehr abnehmen können um ihrem „idealen Körperbild“ zu entsprechen. Trotz der drohenden Lebensgefahr stacheln sich die jungen Menschen gegenseitig dazu an, so wenig wie möglich zu essen.

Die Philosophie von „Pro Ana“ ist es, lieber zu sterben, als zuzunehmen!

Die „Pro Ana“ Internetseiten haben regen Zulauf. Schätzungen zufolge besuchen ca. 40 % aller Anorexie-Betroffenen „Pro Ana“- Seiten.

Inzwischen gibt es auch App-Versionen von "Pro Ana" für das Handy. Der Austausch per Handy kann überhaupt nicht kontrolliert werden. Magersüchtige können damit rund um die Uhr Kontakt halten. Der Druck, nicht zu essen, besteht somit Tag und Nacht.


Ana ist gefährlich, sie ist keine Freundin!


Es ließe sich sicher noch viel mehr über Anorexie berichten. Aber ich glaube, mit den vorliegenden Informationen ist deutlich geworden, dass es sich bei der Anorexie um eine der schwersten psychischen Erkrankungen handelt.

Vielen Dank fürs Lesen und viele Grüße

Richard


P. S. Für die bessere Lesbarkeit habe ich die maskuline Schreibweise verwendet. Angesprochen sind selbstverständlich immer alle Geschlechter.

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