Hypnosepraxis am Sachsenwald       Richard Petersen 

Psychotherapie / Hypnosetherapie                                                   21465 Reinbek, Am Rosenplatz 8                               

Anorexie Teil 1

Richard Petersen • Sept. 15, 2023

Klara leidet an Anorexie (Magersucht) Dies ist ihre Geschichte

Aufgrund der Vielzahl der relevanten Informationen, ist dies mein erster Blogartikel, der in zwei Teilen erfolgt.


4:30 Uhr. Klara wacht auf. Sie friert, hat Schmerzen. Barfuß läuft sie ins Badezimmer. Geht auf die Toilette, dann noch einmal. Sie spuckt ihren Speichel ins Waschbecken. Dreimal. Alles zieht sie aus, auch das Haargummi muss weg. Sie atmet lange aus – die ganze Luft soll raus. Wenn nötig, schneidet sie sich Finger- und Fußnägel. Dann ist es so weit: Rechts neben der Tür, gegenüber vom Trockner steht sie, die Waage. 36 Kilo!

Klara, die eigentlich anders heißt, ist 20 Jahre und 1,73 Meter groß. Ihr Gewicht entspricht einem BMI von 12!!!

Ab BMI (Body-Mass-Index) 18,5 gilt man als untergewichtig, ab BMI 17,5 als anorektisch (magersüchtig).

Schon in der Grundschule ist Klara die Größte der Klasse. Sie sticht heraus, das mochte sie gar nicht.

Ihr absolutes Hassfach: Sport! Immer wird sie als Letzte in ein Team gewählt und ihre Lieblingshose darf sie auch nicht anbehalten. Eine schwarze Bundfaltenhose, Größe 42/44, viel zu groß, aber nur darin sah sie ihre "Problemzonen" kaschiert. Hintern, Hüfte, Schenkel.

Wenn Klara von der Schule zurückkehrt, spielt sie mit Nora, dem Nachbarsmädchen, sie ziehen zusammen um die Häuser, telefonieren stundenlang. Sie ist ihre beste Freundin. Plötzlich bricht Nora den Kontakt ab, bis heute weiß Klara nicht warum. "Vermutlich war ich ihr auf einmal auch zu uncool."

Da ist Klara 12 Jahre alt. Sie interessiert sich für Suizid, fängt an, ausschließlich schwarz zu tragen. Sie geht in die Stadtbibliothek, liest Bücher zum Thema. "Was wäre, wenn ich tot wäre? Würden die Kinder aus meiner Klasse zur Beerdigung kommen?"

Klara geht in die Apotheke. Weiter zur nächsten Apotheke. Dort bekommt sie Schlaftabletten, sie will auf den richtigen Zeitpunkt warten.

Als Klara ihre Regel bekommt, ist sie in der vierten Klasse. Zwei Wochen geht sie nicht zur Schule.

In ihrem Aufklärungsbüchlein stand, dass man seine Regel erst dann bekommen könne, wenn man ein gewisses Gewicht erreicht hat, so erinnert sie sich.

Da ist er, der Beweis. Die Mitschüler haben Recht. "Rollmops." "Klara, Germany‘s next Top Moppel"

Einen Monat liegen die Schlaftabletten in der Schublade des Kleiderschrankes. Sie liest die Packungsbeilage.

Atemnot... Angstzustände... Zittern. Soll ich wirklich?

Sie versucht es. Ärzte retten ihr Leben.

Klara kommt aufs Gymnasium. Sie ist eine herausragende Schülerin. Fast nur Einsen. In der Siebten Klasse meldet sie sich bei ICQ an. Als sie morgens in die Klasse kommt, sind die Wände mit ausgedruckten Exemplaren ihres Profilbildes beklebt. "Fettes Schwein." Lautes Gelächter. Getuschel. Der Lehrer kommt – und unternimmt nichts.

Klara ist 1,73 Meter und wiegt 65,5 Kilo, völlig normal also. Zu viel, denkt Klara. "Die 62 muss her. Sind doch nur drei Kilo." Sie lässt Süßes weg, lebt "fdH", friss die Hälfte, sucht Ausreden. "Ich bin Vegetarierin." 62! Überglücklich, aber da geht doch noch was. "60 ist gut. Schön gerade. Dann hör ich auf."

59,7! "Ich werd’ verrückt! Aber ich brauche einen Puffer. Sonst habe ich gleich wieder die sechs davor. 55. Das will ich schaffen. Dann hör ich auch auf."


"Wie lernt man sich zu übergeben?" Ana weiß es. Ana gibt Tipps, die Hunger stillen. Klara hat eine Freundin gefunden!


Sie ist in Fabian verknallt. Im Schullandheim soll jeder bei jedem auf dem Erinnerungs-T-Shirt unterschreiben, er weigert sich. "Bei Rollmops unterschreibe ich nicht."

Klara bekommt Hunger. Schrecklichen Hunger.


Ana sagte, Watte helfe. Klara versucht es mit einem Tampon.


"Soll ich in die Klinik? Nein. Dafür bin ich noch zu fett."

Dreimal die Woche macht sie Sport. Manchmal viermal. Sie MUSS abnehmen. 5 Uhr morgens. Nach dem Wiegen geht sie laufen, ein bis zwei Stunden, danach Kraftübungen. Drei Stunden. 500 Sit-Ups.
Weil sie Angst hat, ausgeprägte Waden vom Laufen zu bekommen, geht sie schwimmen. Vier Stunden. Hallenbad Böblingen, Eintritt: 2,40 Euro. Noch mal zwei Kilo weniger.
Das Frieren wird unerträglich, nur mit Wärmflasche kann sie schlafen. Auf ihrem Bauch: Eine große Brandnarbe, oval wie die Wärmflasche. In der Nacht hat sie wieder Magenschmerzen und Muskelkrämpfe, hinzu kommen Alpträume von Süßem und Pizza.
Plötzlich bemerkt sie eine dicke, salzige Träne, hungrig schnappt sie danach. "Bist du doof?!"
Sit-Ups. "Wie viel Kalorien so eine Träne wohl hat?"

Quelle: SPIEGEL Psychologie



Die Magersucht (Anorexia nervosa) ist eine schwere psychische Erkrankung.

Betroffene von Magersucht haben das krankhafte Verlangen, ihr Körpergewicht immer weiter zu reduzieren.

Magersucht gehört mit der Bulimie und der Binge-Eating-Störung zu den Essstörungen.

Der starke Gewichtsverlust ist zwar das auffälligste Symptom einer Anorexie. Letztlich ist er aber nur das äußerlich sichtbare Anzeichen einer tiefgreifenden seelischen Störung.

Um die Krankheit zu heilen, reicht es nicht aus, einfach wieder zu essen.

Die Anorexie hat einen suchtähnlichen Charakter. Der Drang zu hungern ist für die Betroffenen nahezu unwiderstehlich. Der besondere Kick besteht darin, größtmögliche Kontrolle über seine Bedürfnisse und seinen Körper zu haben. Für Außenstehende ist das kaum nachvollziehbar.

Magersüchtige (anorektische Menschen) haben zudem lange keine Krankheitseinsicht. Es fällt ihnen schwer, sich einzugestehen, dass sie ein problematisches Essverhalten haben. Sie sträuben sich daher oft gegen eine Therapie.

Dabei gilt die Anorexia nervosa aufgrund ihrer hohen Sterblichkeitsrate von ca. 10% als eine der gefährlichsten psychischen Erkrankung überhaupt. Einige der Betroffenen sterben aufgrund der Mangelernährung oder durch Suizid.


Wer ist von Anorexie betroffen?

Meist tritt Anorexie erstmals in der frühen Jugend auf. Die Altersgrenze verschiebt sich jedoch zunehmend weiter nach unten. Mittlerweile erkranken bereits Kinder daran. Die meisten Magersüchtigen sind weiblich und zwischen 15 und 25 Jahre alt. Doch auch Jungen und Männer entwickeln immer häufiger eine Magersucht.

Hauptsymptome von Magersucht sind der erhebliche, selbst herbeigeführte Gewichtsverlust, eine ausgeprägte Angst vor einer Gewichtszunahme trotz bereits bestehenden Untergewichts und eine verzerrte Wahrnehmung des eigenen Körpers.

Da die Mangelernährung viele wichtige körperliche Funktionen beeinträchtigt, treten auch zahlreiche körperliche Beschwerden auf.


Die Diagnose Magersucht erfolgt, wenn die folgenden vier Symptome vorliegen:

  • Untergewicht (mindestens 15 Prozent unter dem Normalgewicht)
  • selbst herbeigeführter Gewichtsverlust
  • Körperschema-Störung
  • Störungen im Hormonhaushalt (endokrine Störungen)


Essstörungen können jeden treffen. Nicht immer sind die Anzeichen eindeutig. Hausärzte und Psychotherapeuten bieten professionelle und vertrauliche Hilfe an. Auch Spezialambulanzen oder Beratungsstellen können helfen.

Unter der Rufnummer 0221/89 20 31 bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung eine anonyme Beratung an. Weitere Informationen und Hilfsangebote finden sich unter www.bzga-essstoerungen.de .


Ein sehr charakteristisches Anzeichen für Magersucht ist die ständige Beschäftigung mit dem eigenen Gewicht und der Ernährung. Magersüchtige Menschen haben panische Angst, zuzunehmen und zu dick zu sein. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie den Appetit verlieren. Vielmehr dreht sich ihr ganzes Denken um die Themen Essen und Diäten. Viele Betroffene beschäftigen sich sogar intensiv mit Rezepten und kochen gern für andere! Andere horten auch heimlich Nahrungsmittel, um sich an ihrem Anblick zu erfreuen.

Das Aushalten und Überwinden des Hungergefühls verbuchen Magersüchtige als Erfolg. Nahrung zu sich zu nehmen, wird irgendwann zur Qual, da Essen für sie Kontrollverlust bedeutet und ein schlechtes Gewissen erzeugt.

Magersüchtige empfinden kein Gewicht als zu niedrig. Das Hungern wird zur Sucht und die Reduktion der Nahrung zu einer Art Wettlauf mit sich selbst. Das Hungergefühl wird zum Normalzustand, das Sättigungsgefühl empfinden sie als unangenehm. Irgendwann ist der Gewichtsverlust so bedrohlich, dass die Patienten in eine Klinik eingewiesen werden müssen.

Einige Betroffene versuchen, ihr Gewicht durch exzessiven Sport zusätzlich zu verringern. Manche nehmen auch Abführ- oder Entwässerungsmittel ein, um Gewicht zu verlieren.

Der Wunsch nach immer weiterem Gewichtsverlust und die ständige Gewichtskontrolle bestimmen irgendwann das gesamte Denken und den kompletten Alltag der Betroffenen.

Eine Stagnation des Gewichts oder gar eine Gewichtszunahme werten sie als schwere Rückschläge, woraufhin sie ihre Anstrengungen intensivieren.

Magersüchtige nehmen ihren eigenen Körper verzerrt wahr. Trotz ihres Untergewichts halten sich viele für dick. Von Fachleuten wird dieses Phänomen als Körperschemastörung bezeichnet.

Außenstehende können nur schwer nachvollziehen, dass die Betroffenen sich beim Blick in den Spiegel tatsächlich als übergewichtig empfinden.

Weder Beteuerungen von anderen noch objektive Gewichtsmaße wie der BMI können Magersüchtige von ihrem faktischen Untergewicht überzeugen. Die Körperschemastörung ist ein schwerwiegendes Problem, das allein durch professionelle Hilfe über einen längeren Zeitraum überwunden werden kann.

Magersüchtige verlieren im Durchschnitt 40 bis 50 Prozent ihres ursprünglichen Gewichts. Nach den klinischen Diagnoserichtlinien gilt bei Erwachsenen ein Body-Mass-Index (BMI) ab 17,5 als Magersucht-Anzeichen.

Ein BMI von 14,5 ist ein medizinischer Notfall und ab 13,9 besteht akute Lebensgefahr.

Für Kinder und Jugendliche gelten andere Grenzwerte, da der Body-Mass-Index bei ihnen nicht mit der üblichen Formel berechnet werden kann. Kritisch wird es, wenn das für das Alter zu erwartende Gewicht um 15% unterschritten ist.


Anorektiker sind auffallend oft intelligente und sehr leistungsorientierte Menschen, die versuchen, möglichst alle Aufgaben perfekt zu erledigen. Beim Sport oder in der Schule sind sie besonders ehrgeizig. Vom sozialen Leben ziehen sie sich jedoch immer mehr zurück. Diese selbst gewünschte soziale Isolation ist ein ernst zu nehmendes Warnzeichen.


Anorexie führt häufig zu begleitenden, anderen schweren psychischen Erkrankungen. Psychische Störungen, die oft gleichzeitig mit der Magersucht auftreten, sind Depressionen, Angst-, Zwangs- und Suchterkrankungen sowie Persönlichkeitsstörungen.


Magersucht schädigt den gesamten Körper. Aufgrund der Mangelernährung reduziert er seinen Energieverbrauch auf das Lebensnotwendige. Davon sind alle Organsysteme betroffen. Daraus erklärt sich die Vielzahl an möglichen körperlichen Folgen von Magersucht:

  • verlangsamter Herzschlag (Bradykardie) sowie Herzrhythmusstörungen
  • niedriger Blutdruck (Hypotonie)
  • Frieren und Unterkühlung (Hypothermie)
  • Haarausfall
  • flaumartige Behaarung (Lanugo-Behaarung) statt normaler Körperbehaarung
  • bei Mädchen/Frauen: Aussetzen der Menstruation (Amenorrhö),
  • Unfruchtbarkeit, weil aufgrund der Mangelernährung der Hormonhaushalt gestört ist
  • bei Jungen/Männern: Probleme mit der Potenz
  • sexuelle Lustlosigkeit (Libidoverlust)
  • Störung des Elektrolyt- und Vitaminhaushalts
  • Abnahme der Knochenmasse (Osteoporose)
  • Nierenfunktionsstörungen
  • Leberfunktionsstörungen
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Entwicklungsverzögerung bei Kindern und Jugendlichen
  • Hirnschwund (Hirnatrophie)


Zu den genauen Ursachen von Magersucht gibt es bislang lediglich Vermutungen. Fest steht jedoch, dass die Krankheit Anorexia nervosa nicht auf einen einzigen Auslöser zurückzuführen ist, sondern die Gründe für Magersucht vielfältig sind.

So tragen zur Entstehung der Magersucht sowohl biologische und psychologische als auch soziokulturelle Faktoren bei, die sich gegenseitig verstärken.

Quelle: NetDoctor

Im zweiten Teil erfährst du mehr über die Ursachen der Anorexie, ihre Behandlungsmöglichkeiten sowie den Verlauf und der Prognose.

Und du erfährst, wer Klaras geheimnisvolle Freundin Ana wirklich ist.


Vielen Dank fürs Lesen und viele Grüße,

Richard


P. S. Für die bessere Lesbarkeit habe ich die maskuline Schreibweise verwendet. Angesprochen sind selbstverständlich immer alle Geschlechter.

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