Hypnosepraxis am Sachsenwald       Richard Petersen 

Psychotherapie / Hypnosetherapie                                                   21465 Reinbek, Am Rosenplatz 8                               

Borderline-Syndrom

Richard Petersen • Aug. 04, 2023

Ich hasse dich, verlass mich nicht!

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) gehört zu den sogenannten "emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen". Menschen mit dieser schweren psychischen Störung leiden unter ihren intensiven und unkontrollierbaren Emotionen. Zu den Hauptmerkmalen dieser Störung gehören laut der Borderline-Definition starke Schwankungen der Stimmung sowie heftige Wutausbrüche. Auch ein ausgeprägtes Schwarz-Weiß-Denken ist typisch für Borderliner.


Die WHO (Welt-Gesundheits-Organisation) unterteilt Menschen mit emotional instabilen Persönlichkeiten zusätzlich in zwei verschiedene Typen: den Impulsiven Typ und den Borderline-Typ.


Um dem Impulsiven Typ zugeordnet zu werden, müssen bestimmte Merkmale vorhanden sein. Zum Beispiel die Neigung zu Streitereien oder impulsiven, unerwarteten Handlungen, ohne auf mögliche Folgen zu achten. Auch die Neigung zu unkontrollierten Wut- oder Gewaltausbrüchen und starke Stimmungsschwankungen gehören dazu.


Typische Merkmale des Borderline-Typs sind, neben der ebenfalls vorliegenden Neigung zu Streitigkeiten, Unsicherheiten im Selbstbild beziehungsweise in der eigenen Identität, die Neigung zu intensiven, aber instabilen Beziehungen sowie große Angst vorm Verlassenwerden. Zudem kommt häufig die Androhung oder Durchführung von Selbstverletzungen und ein dauerhaftes Gefühl der Leere.


Die Bezeichnung Borderline entstand vor ca. 100 Jahren durch die Annahme, dass sich die Störung im Grenzbereich (engl. borderline) zwischen Neurose und Psychose bewegt.


Die meisten Borderliner haben Schwierigkeiten, eine Berufsausbildung abzuschließen. Manche verbringen mehrere Jahre ihres Lebens in psychiatrischen Kliniken. Erst um das dreißigste Lebensjahr herum nimmt die Intensität des Borderline-Syndroms langsam ab, und die heftigen Gefühlsstürme verebben.

 

In der Bevölkerung sind durchschnittlich etwa 1,6 Prozent von einer Borderline-Persönlichkeitsstörung betroffen. In Deutschland entspricht das ungefähr einer Millionen Menschen zwischen dem 18. und 60. Lebensjahr (Statistisches Bundesamt 2017).

Unter den jungen Menschen ist die Krankheit mit über 6 Prozent überdurchschnittlich oft vertreten.

Die Borderline-Störung entwickelt sich oft in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter. Die ersten Anzeichen für die psychische Störung treten teilweise bereits im Kindesalter auf, es ist jedoch schwierig, Borderline bei Kindern zu diagnostizieren. Auffällige Anzeichen sind bei Kindern und auch Jugendlichen häufig nicht eindeutig dem Borderline-Syndrom zuzuordnen. Bei einem Verdacht auf eine Borderline-Erkrankung im jungen Alter sprechen Experten von einer Borderline-Entwicklungsstörung.


Früher galten junge Frauen als besonders anfällig für die Borderline-Störung. Neuere Untersuchungen weisen aber darauf hin, dass die Geschlechter-Verteilung ausgeglichen ist. Zwar sind bis zu 80 Prozent der Patienten in Therapie weiblich. Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass sich Borderline bei Männern anders äußert als bei Frauen. Männliche Borderliner neigen unter Umständen stärker zu Gewalt gegen andere und landen daher eher in Jugendstraf-Einrichtungen als in einer therapeutischen Anstalt.


Ein typisches Borderline-Verhalten ist es, andere Menschen zunächst zu idealisieren, diese aber bei der geringsten Enttäuschung stark abzuwerten. Das macht Beziehungen zu Angehörigen, Freunden und auch Lebenspartner sehr schwierig.

Insbesondere mit einem Borderliner dauerhaft eine Liebesbeziehung einzugehen, ist nicht leicht. Zu Beginn von Beziehungen oder Freundschaften idealisieren Borderliner die andere Person. Häufig sprechen sie davon, einen Seelenverwandten gefunden zu haben. Die Emotionen sind sehr intensiv und berauschend. Problematisch wird es jedoch häufig, wenn Freunde oder Partner noch andere Freundschaften haben.

Menschen mit Borderline stellen häufig einen Alleinanspruch auf nahestehende Personen. Sie werden schnell eifersüchtig. Früher oder später wird der zunächst vergötterte Mensch zum Gegner. So intensiv, wie der Partner oder Freund zu Beginn angehimmelt wurde, wird er dann gehasst.


Borderliner richten Gewalt meist gegen sich selbst, indem sie sich absichtlich Verletzungen zufügen. Trotzdem besteht immer auch die Möglichkeit zu Gewaltausbrüchen gegenüber anderen Menschen. Das führt zusätzlich zu Problemen in Beziehungen.

Auch kindliches Verhalten kommt bei einigen Borderline-Patienten vor. Dies haben Wissenschaftler vor allem bei Menschen festgestellt, die als Kind sexuell oder emotional missbraucht oder verlassen wurden.


Borderline-Symptome sind vielfältig. Die Patienten leiden besonders unter ihrem impulsiven Verhalten und ihrer instabilen emotionalen Welt. Betroffene geben ihren Impulsen nach, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Sie sind oft aggressiv und können nur schwer stabile Beziehungen aufbauen.

Ihr Denken ist schwarz-weiß: Sie schwanken zwischen Angst vor Nähe und Angst vor dem Verlassenwerden.


Eine ständige innere Anspannung ist typisch für die Borderline-Störung. Ein Auslöser ist für die Patienten nicht immer erkennbar.

Um diese Anspannung im Körper abzubauen, ritzen sich viele Borderline-Patienten (Automutilation). Mit Rasierklingen, Glasscherben und anderen Gegenständen fügen sie sich zum Teil lebensgefährliche Verletzungen zu. Manche legen auch andere Formen selbstzerstörerischen Verhaltens an den Tag. Sie konsumieren beispielsweise Alkohol oder andere Drogen, leiden unter Essstörungen, rasen mit dem Auto, betreiben hochriskante Sportarten oder haben Risikosex.

Diese selbstschädigenden Verhaltensweisen, die auf Außenstehende wie ein Suizidversuch wirken, sind für die Betroffenen meistens ein verzweifelter Versuch, die quälenden Gefühlszustände in den Griff zu bekommen. Selbstverletzende oder -gefährdende Handlungen helfen den Patienten auch, in die Realität zurückzufinden.


Häufig mündet die Borderline-Störung in eine Depression. Viele Betroffene entwickeln Suizidgedanken, über die Hälfte aller Betroffenen begeht Suizidversuche. Die Suizidrate liegt zwischen drei und zehn Prozent. Die höchste Gefährdung besteht bei Patienten im Alter zwischen 20 bis 30 Jahren; danach nimmt das impulsive Verhalten in der Regel ab.

Häufig zeigen Borderliner Symptome der Dissoziation.

Bei einer Dissoziation verändert sich die Wahrnehmung. Die Dissoziation hängt mit der Abspaltung von Gefühlen zusammen, die Borderliner erleben. Die Ursache dafür sind häufig traumatische Erlebnisse in der Kindheit. Wenn ein Kind nicht die Möglichkeit hat, einer traumatischen Situation zu entfliehen, begibt es sich emotional oftmals an einen anderen Ort. Diese Dissoziationen tauchen bei Borderlinern auch im späteren Leben auf, vor allem dann, wenn negative Gedanken und Gefühle auftreten.


Manche Borderline-Patienten erleben auch sogenannte Derealisationen oder Depersonalisationen. Bei einer Derealisation wird die Umwelt als fremd und unwirklich wahrgenommen. Bei einer Depersonalisation empfinden die Betroffenen ihr eigenes Ich als fremd. Ihre Gefühle erscheinen ihnen wie losgelöst von ihrer Person.

Typische Borderline-Symptome sind auch Gefühle der Leere. Diese Gefühle hängen häufig damit zusammen, dass Borderline-Patienten Schwierigkeiten mit ihrer eigenen Identität haben.


Die Borderline-Ursachen sind noch nicht abschließend geklärt. Als sicher gilt, dass eine genetische Veranlagung und frühe traumatische Erfahrungen zusammenwirken und die Störung dann möglicherweise auslösen. Die bislang einzige Zwillingsstudie hat gezeigt, dass die genetischen Faktoren einen großen Einfluss auf die Entstehung des Borderline-Syndroms haben. Somit ist Borderline selbst zwar nicht vererbbar, die Veranlagung dafür aber schon.

Traumatisierungen erhöhen das Risiko für das Borderline-Syndrom erheblich. Ein großer Teil der Betroffenen ist in der frühen Kindheit sexuell missbraucht worden – insbesondere innerhalb der Familie. Borderline-Patienten haben auch in vielen Fällen körperliche Gewalt erlebt.

Auch seelische Misshandlungen liegen in einigen Fällen dem Borderline-Syndrom zugrunde. Viele der Patienten wurden in ihrer Jugend schwer vernachlässigt. Mangelnde Wärme in den familiären Beziehungen oder unberechenbare Bezugspersonen erhöhen das Risiko.

Frühe Trennungserfahrungen durch Scheidung oder Tod eines Elternteils begünstigen ebenfalls die psychische Erkrankung.

Auch psychische Auffälligkeiten in der Familie wie Alkohol-Missbrauch, Depressionen oder Schizophrenie erhöhen für Kinder das Risiko, ein Borderline-Syndrom zu entwickeln.

So auffällig die Häufung von Traumatisierungen bei Patienten mit dem Borderline-Syndrom ist – bei einem Teil der Patienten entwickelt sich die Persönlichkeitsstörung offenbar auch ohne erschütternde Erfahrungen.

Es ist also nicht immer und automatisch die Familie "verantwortlich" an der seelischen Erkrankung!


Der erste Schritt zur Diagnose der Persönlichkeitsstörung Borderline ist eine gründliche Anamnese (Ermittlung der Krankengeschichte). Dazu spricht der Arzt oder Therapeut nicht nur mit dem Betroffenen, sondern möglichst auch mit anderen Bezugspersonen, vor allem den Eltern.


Bei Borderline-Patienten erfüllt das Verhalten oft nicht die "Norm", also die Erwartungen der Gesellschaft. Sie deuten ihre Umwelt anders und haben viel intensivere Gefühle. Dadurch reagieren sie häufig "unangemessen".

Bei der Suche nach der Diagnose muss der Arzt oder Therapeut andere seelische Störungen ausschließen, die mit teils ähnlichen Symptomen einhergehen. Dazu gehören zum Beispiel schizophrene Störungen und Störungen des Sozialverhaltens.


Die wichtigste Therapieform ist die Psychotherapie. Zusätzlich helfen in einigen Fällen Medikamente gegen die Begleiterkrankungen wie beispielsweise Depressionen oder Angststörungen.

Lange Zeit galt die Borderline-Therapie als besonders problematisch – die Erkrankung stellt Patient und Therapeut vor große Herausforderungen. Patienten sind schnell enttäuscht und brechen die Behandlung oft vorschnell ab.

Dank spezieller therapeutischer Konzepte ist die Prognose beim Borderline-Syndrom aber heute deutlich besser.


Zur Behandlung des Borderline-Syndroms gibt es verschiedene Therapieformen. Die gängigste Methode sei hier kurz beschrieben.


Den Durchbruch in der Borderline-Behandlung schaffte die US-amerikanische Therapeutin Marsha M. Linehan. Sie entwickelte die speziell auf Borderliner zugeschnittene Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT). Dabei handelt es sich um eine besondere Form der Kognitiven Verhaltenstherapie.


In der ersten Therapiephase werden die Borderline-Patienten zunächst stabilisiert. Im Mittelpunkt stehen dabei Strategien, die verhindern, dass der Patient sich weiter selbst schädigt oder die Therapie vorzeitig abbricht. Im Rahmen einer Gruppentherapie werden dann verschiedene neue Verhaltens- und Denkweisen trainiert.

Ziele sind:

- Die Wahrnehmung der eigenen Person und die anderer Menschen zu verbessern

- Maßnahmen zur Selbstkontrolle und zum Umgang mit Krisen einzuüben

- Extremes Schwarz-Weiß-Denken abzubauen

- Den Umgang mit Stress und die Steuerung der eigenen Gefühle zu erlernen


Erst in einer zweiten Therapiephase rücken die belastenden Lebensereignisse in den Mittelpunkt, welche die Störung mit gefördert haben. Anders als bei einer psychoanalytisch fundierten Therapie geht es dabei nicht darum, die traumatische Erfahrung erneut zu durchleben und aufzuarbeiten. Es geht hier darum, diese Erfahrung als Teil der persönlichen, aber abgeschlossenen Vergangenheit zu akzeptieren.


Die dritte Therapiestufe ist darauf ausgerichtet, das Erlernte im Alltag anzuwenden, das Selbstwertgefühl zu steigern sowie persönliche Lebensziele zu entwickeln und umzusetzen.

 

Lange Zeit galten Borderline-Patienten als hoffnungslose Fälle. Dieses Bild hat sich mit der Entwicklung speziell auf Borderline zugeschnittener Therapien erheblich gewandelt.

Auf eine Therapie spricht etwa die Hälfte der Patienten beim ersten Behandlungsversuch an.

Wenn am Ende der Therapie ein Patient die Borderline-Kriterien nicht mehr vollständig erfüllt, heißt das allerdings nicht, dass er geheilt ist.

Viele Borderliner haben auch langfristig Probleme, ihre Gefühle zu kontrollieren oder sich sozial zu integrieren.

Schlechtere Chancen, ihre Probleme in den Griff zu bekommen, haben vor allem Patienten mit Drogen- oder Alkohol-Missbrauch. Darauf folgen Patienten, die unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden und/oder als Kind sexuell missbraucht wurden.

Ein kleiner Teil der Borderline-Patienten verstirbt durch Suizid oder risikoreiches Verhalten wie zum Beispiel riskantes Autofahren oder Drogen-Konsum.

Mit dem Alter nimmt aber das impulsive Verhalten ab, das für das Borderline-Syndrom typisch ist. An dessen Stelle treten jedoch oft depressive Stimmungen.


Es ist wichtig, die Frühwarnzeichen einer Borderline-Erkrankung zu erkennen, um dann möglichst schnell eine Therapie einzuleiten. Damit ist es möglich, die Prognose positiv zu beeinflussen.

Quelle: NetDoctor


Dieser Artikel erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit aller relevanten Informationen zum Borderline-Syndrom.

Aber ich hoffe, dass ich dir einerseits die Schwere der Störung näherbringen konnte, aber andererseits auch aufzeigen konnte, dass Betroffene ihrem Schicksal nicht hilflos ausgeliefert sind.


Vielen Dank fürs Lesen und viele Grüße,

Richard


P. S. Für die bessere Lesbarkeit habe ich die maskuline Schreibweise verwendet. Angesprochen sind selbstverständlich immer alle Geschlechter.

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