Hypnosepraxis am Sachsenwald       Richard Petersen 

Psychotherapie / Hypnosetherapie                                                   21465 Reinbek, Am Rosenplatz 8                               

"Der eingebildete Kranke"

Richard Petersen • Aug. 11, 2023

Die hypochondrische Störung

Der Begriff „Hypochonder“ wird oft abfällig für Menschen verwendet, die wehleidig sind. Eine echte hypochondrische Störung ist aber ein ernst zu nehmendes psychisches Problem, das einer Behandlung bedarf.

Etwa jeder dritte Deutsche hatte im Jahr 2021 Angst vor einer schweren Erkrankung. Das besagt die Studie "Die Ängste der Deutschen", die die Versicherungsgesellschaft R+V seit 1992 jährlich durchführt. Für viele Deutsche mag im Pandemiejahr die Furcht vor einer Corona-Infektion relativ konkret gewesen sein.

Doch für etwa ein Prozent der Bevölkerung bestimmt eine generelle Angst vor Krankheiten nachhaltig das Leben: Sie leiden an Hypochondrie.

In der Gesellschaft ist Hypochondrie durchaus bekannt, doch wird sie in ihrer Ernsthaftigkeit oft unterschätzt!

Weil es keine Diagnose für ihre Beschwerden gibt, gelten Betroffene oft „als wehleidige, eingebildete Kranke“, heißt es im ams-Ratgeber der AOK Gesundheitskasse.

Anders als häufig angenommen simulieren Hypochonder nicht! Sie nehmen die beschriebene Symptomatik tatsächlich wahr. Hypochonder erleben die Beschwerden real, interpretieren sie aufgrund ihrer Angst jedoch falsch: Als Symptom einer schweren, potenziell tödlichen Krankheit wie Krebs, AIDS oder Multiple Sklerose (MS). Manche Betroffene messen 20-30-mal täglich ihren Blutdruck aus Angst vor einem Schlaganfall.

Der Begriff Hypochondrie oder hypochondrische Störung deckt ein ganzes Spektrum von Krankheiten ab. Es erstreckt sich von ausgeprägtem Gesundheitsbewusstsein und gesundheitsorientiertem Verhalten bis hin zum hypochondrischen Wahn – dem Vollbild der Hypochondrie.


Woher kommt der Begriff Hypochonder?

Hypochondrie ist ein veralteter Begriff, der aus dem Griechischen stammt. Die alten Griechen glaubten, dass sich der Sitz von Gemütskrankheiten „unter den Rippenknorpeln“ (hypo = unter, chondros = Knorpel) befindet. Da die Milz als Ursache für diese Beschwerden galt, wurde die Hypochondrie früher auch „Milzsucht“ genannt.


Das was eine Hypochondrie vor allem ausmacht, ist die Angst vor Krankheiten oder dem Kranksein, die sich dadurch verstärkt, dass Betroffene Wahrnehmungen des eigenen Körpers missdeuten.

Aufgrund dieser krankhaften Angst, welche die Lebensqualität der Betroffenen meist stark einschränkt, ähnelt die Hypochondrie oftmals einer Panik- oder Angst-Störung. Tatsächlich gehört sie aber zu den sogenannten somatoformen Störungen.

Die Diagnose einer somatoformen Störung wird im ICD-10 mit dem Code F45.2 verschlüsselt.

Diese Gruppe umfasst Krankheiten, bei denen sich emotionales Unwohlsein und Stress in körperlichen Symptomen niederschlägt.

Da dies aber nicht das Hauptkriterium der Hypochondrie ist, ist ihre Zuordnung zu den somatoformen Störungen umstritten. Denn Hypochondrie hat eine weitere Dimension, weshalb sie künftig nicht mehr den somatoformen Störungen, sondern den Zwangsstörungen zugeordnet wird. Diese Klassifizierung nach ICD-11 (11. Auflage des ICD) trifft Hypochondrie besser. Betroffene schenken möglichen Krankheitssymptomen aufgrund ihrer Angst überdurchschnittlich viel Aufmerksamkeit und suchen sogar danach, indem sie ihren Körper andauernd auf Veränderungen kontrollieren. Dieses Verhalten hat durchaus zwanghaften Charakter.


Sidekick: Cyberchondrie: Digitale Hypochondrie

Cyberchondrie – die Wortkombination aus "Cyber" und "Hypochondrie", auch Morbus Google genannt – bezieht sich auf Menschen, deren Krankheitsangst insbesondere durch Internetrecherchen ausgelöst oder verstärkt wird. Das Googeln von Symptomen gilt als kontraproduktiv. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2014 stellten Forscher fest, dass als hypochondrisch eingestufte Probanden signifikant häufiger im Internet nach Krankheitssymptomen suchen als andere. Doch „Doktor Google“ trägt nicht zur Beruhigung bei, im Gegenteil: Wenn man danach sucht, kann jede noch so kleine Beschwerde auf eine schwere Erkrankung zurückzuführen sein. Einer ausgiebigen Internetrecherche folgt dann fast immer ein Arztbesuch oder der Gang zur Notaufnahme.


Einer Reihe von bekannten Persönlichkeiten sagt man nach, an Hypochondrie zu leiden oder gelitten zu haben. Dazu zählen Charlie Chaplin, Friedrich der Große, Woody Allen oder auch Thomas Mann.

Weltweit leiden zwischen zwei und sieben Prozent der Hausarzt-Patienten unter einer Hypochondrie. Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen. Die Dunkelziffer der Hypochonder ist aber vermutlich weitaus höher, da es auch Betroffene gibt, die nicht im Gesundheitssystem auffallen.

Dies liegt möglicherweise daran, dass diese Hypochonder ein ausgesprochenes Vermeidungsverhalten zeigen oder aber alternative Medizin nutzen. In der Regel nutzen Hypochonder das Gesundheitssystem jedoch ungewöhnlich häufig und verursachen damit hohe Kosten.

Bisher gibt es keine sicheren Daten hinsichtlich des Alters, in dem eine Hypochondrie ausbricht. Ein Drittel der Patienten gibt an, bereits in der Kindheit übersteigerte Ängste in Bezug auf Krankheiten gehabt zu haben.


Was sind die Symptome?

Menschen mit einer Hypochondrie haben eine große Angst vor Krankheiten. Die Angst krank zu sein, schränkt das Leben unter Umständen deutlich ein. Sie schließt die Sorge vor Schmerz, Behinderung, Leiden und Tod mit ein.

Die Angst fokussiert sich meistens auf bestimmte, potenziell tödliche Krankheiten. Dazu betreiben Hypochonder auch umfassende Recherchen und sammeln jegliche Informationen in Bezug auf die gefürchteten Krankheiten.

Hinzu kommen bei Hypochondrie die Schwierigkeit, Unsicherheit zu ertragen, und das dringende Bedürfnis, Symptome abzuklären.

Symptome jeglicher Art nehmen Betroffene in gesteigerter Weise wahr: Hypochonder achten sehr gezielt und übersteigert auf Signale des Körpers, sodass sie diese bereits in niedriger Intensität wahrnehmen.

Hypochonder sind absolut überzeugt, an einer Krankheit zu leiden oder demnächst daran zu erkranken.

So kreisen katastrophale Gedanken über den eigenen Gesundheitszustand ohne Pause im Kopf des Hypochonders. Das führt zu Unsicherheit und Angst bis hin zu schweren Panik-Attacken. Das Leiden nimmt die Betroffenen immer mehr ein.

Um ihre übersteigerte Angst zu bekämpfen, suchen Hypochonder verstärkt nach Rückversicherung – und zwar immer wieder und immer öfter.

Viele Betroffene untersuchen sich oft selbst, laufen von einem Arzt zum anderen und fragen auch Freunde und Familie immer wieder nach ihrer Meinung zu den vermeintlichen Krankheitssymptomen.

Ziel dieser Anstrengungen ist die Bestätigung, dass die in Verdacht genommene Erkrankung tatsächlich besteht. Da Gesprächspartner dies zumeist verneinen, stellt sich bei Hypochondern meist Frust und Unzufriedenheit ein.

Insgesamt ist das Krankheitsbild der Hypochondrie sehr heterogen, sodass sich verschiedene Subtypen je nach Dominanz einzelner Symptome charakterisieren lassen. Im Verlauf der Krankheit erfassen die Gesundheitssorgen womöglich alle Lebensbereiche und führen so zu einer bedeutenden Einschränkung der Lebensqualität. Besonders im Beruf und in Beziehungen kommt es deshalb zu Konflikten.


Wie testet man auf Hypochondrie?

Erste Hilfe erhalten Hypochonder bei ihrem Hausarzt. Dieser hat meist die beste Übersicht über reale Krankheits-Sorgen und den Gesundheitszustand des Patienten. So ist er oft am besten in der Lage, beim Patienten zwischen übertriebenen Ängsten und tatsächlich bestehenden Gesundheitsrisiken zu unterscheiden.


Ob du selbst möglicherweise hypochondrische Tendenzen aufweist, kannst du hier testen.

ACHTUNG: Ein solcher Selbsttest ersetzt in keinem Fall eine ärztliche Diagnose!

Was sind die Ursachen der Hypochondrie?

Es gibt verschiedene Theorien zur Entwicklung einer Hypochondrie, bis jetzt ist die Ursache jedoch nicht abschließend geklärt. Zudem ist oft nicht klar, ob Hypochondrie eine vollkommen eigenständige Erkrankung darstellt oder aber vor allem als Symptom einer anderen Krankheit wie etwa einer Depression auftritt.

Als Auslöser kommt etwa eine akute psychische Belastung in Betracht.


Behandlung einer Hypochondrie

Bis sich Menschen mit einer hypochondrischen Störung in eine Psychotherapie begeben, vergeht oft viel Zeit – denn sie sind überzeugt davon, körperlich krank zu sein. Meist haben die Betroffenen schon einen langen Leidensweg hinter sich, wenn sie sich schließlich in Behandlung begeben.

Vor Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung der Hypochondrie ist jedoch sicher auszuschließen, dass keine organische Krankheit vorliegt, welche die beschriebenen Hypochondrie-Symptome auslöst.

Insbesondere die Verhaltenstherapie gilt bei der Behandlung einer Hypochondrie als erfolgversprechend. Die Wirksamkeit dieser Therapieform ist am besten untersucht und erwiesen.

Die Therapie einer Hypochondrie basiert von Anfang bis Ende auf einem Gespräch auf Augenhöhe, bei dem sich der Patient selbst neue Denkweisen erarbeitet. Die Therapie zielt darauf ab, den Umgang Betroffener mit der Hypochondrie bewusst zu verbessern, um damit das eigene Leiden zu reduzieren.

Manche Menschen mit einer hypochondrischen Störung empfinden zusätzlich auch Entspannungsverfahren als hilfreich. Durch gezielte Entspannung können sie körperliche und seelische Anspannung abbauen. Bewährte Techniken sind zum Beispiel autogenes Training oder progressive Muskelentspannung.

Körperliche Bewegung kann sich ebenfalls positiv auf den Erkrankungsverlauf auswirken.

Medikamente

Es gibt kaum gute Studien zur medikamentösen Therapie der Hypochondrie. Am häufigsten wurde eine Gruppe Antidepressiva, die sogenannten selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) getestet. Sie kommen bei vielen psychiatrischen Krankheiten zum Einsatz.


Hypochondrie: Verlauf und Prognose

Ein entscheidender Faktor für den Erfolg der Therapie ist die Einsicht, an einer psychischen – und nicht etwa einer körperlichen – Erkrankung zu leiden. Dies zu glauben, fällt vielen Betroffenen jedoch schwer. Daher haben Erkrankte oft einen langen Leidensweg hinter sich, bis sie sich in psychotherapeutische Behandlung begeben.

Die Hypochondrie verläuft möglicherweise in Krisen. Situationen, die bestimmte Assoziationen oder Erinnerungen wecken, lösen diese Krisen gegebenenfalls aus. Ziel einer Therapie ist es, den Umgang damit zu verbessern.

Schwere Formen der Hypochondrie führen zu Beeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Neben dem Berufsleben leiden möglicherweise auch Beziehungen zu anderen Menschen darunter.

Auch wenn sich die Hypochondrie nicht gänzlich besiegen lässt, besteht jedoch die Möglichkeit, durch eine erfolgreiche Therapie das Leiden deutlich zu vermindern.

Generell gilt: Je länger die Hypochondrie bereits besteht und je schwerer sie ausgeprägt ist, desto schlechter die Prognose. Zusätzlich bestehende Krankheiten (vor allem psychische wie Ängste oder Depressionen) verschlechtern womöglich das Therapieergebnis. Solche Erkrankungen sind daher zeitgleich mit der Hypochondrie intensiv zu behandeln.

Vor allem junge Patienten haben eine große Chance, durch die Therapie mit ihrer Hypochondrie besser umzugehen.


Was kann das Umfeld tun?

Für Außenstehende ist eine hypochondrische Störung oft schwer nachvollziehbar.

Vermeintlich gut gemeinte Tipps, sich "nicht so viele Gedanken zu machen" sind jedoch nicht förderlich. Vielmehr sollte man Betroffene ernst nehmen, ihnen zuhören und Unterstützung anbieten. Ein aufgeklärtes Umfeld kann sich positiv auf den Heilungsprozess auswirken. Deshalb ist es sinnvoll, auch nahestehende Personen in die Therapie einzubeziehen.

Quelle: NetDoctor


Vielen Dank fürs Lesen und viele Grüße

Richard


P. S. Für die bessere Lesbarkeit habe ich die maskuline Schreibweise verwendet. Angesprochen sind selbstverständlich immer alle Geschlechter.

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