Hypnosepraxis am Sachsenwald       Richard Petersen 

Psychotherapie / Hypnosetherapie                                                   21465 Reinbek, Am Rosenplatz 8                               

Der Narzisst

Richard Petersen • Juli 07, 2023

Eine toxische Persönlichkeit

Ein bisschen Selbstverliebtheit steckt in jedem von uns. Unter Psychologen gilt Narzissmus als ein Persönlichkeitsmerkmal, das in der Bevölkerung normalverteilt ist.

Wer gewisse narzisstische Züge hat, kommt oft sogar sehr gut durchs Leben. Ein gesundes Selbstbewusstsein macht psychisch stabil und kommt gut an. Moderat narzisstische Menschen sind häufig begeisterungsfähig und können sich gut durchsetzen. Die Betreffenden wirken charismatisch und ziehen damit andere in ihren Bann. Sie sind gern unter Leuten und sind sich ihrer Außenwirkung durchaus bewusst.


Die übertriebene Selbstverliebtheit und Illusion der eigenen Großartigkeit aber, kann sich zu einer ernsthaften Persönlichkeitsstörung entwickeln und dazu führen, andere Menschen auszubeuten.


Im Alltag haben wir es aber selten mit diesem Extrem eines Narzissten zu tun. Letztlich trägt jeder Mensch narzisstische Züge in sich. Bis zu einem gewissen Maß ist das auch gesund, spornt uns an und hilft uns, eigenen Bedürfnissen und Zielen nachzustreben. Problematisch wird der Persönlichkeitsstil erst, wenn es die betroffene Person sozial unverträglich macht.


Woher kommt der Begriff "Narzisst"?

Die Figur des Narziss stammt aus der griechischen Mythologie. Er wächst als ungeliebtes Kind auf und kann selbst nicht lieben. Gleichzeitig sieht er sehr gut aus, ist eitel und berauscht von seiner eigenen Schönheit. Verehrerinnen weist er ab. Als Strafe wird er von Aphrodite dazu verdammt, sich in sein eigenes Spiegelbild zu verlieben.

Darüber, wie die Geschichte endet, herrscht Unklarheit. Es gibt drei Versionen:

  1. Er versucht sein Spiegelbild zu erreichen und merkt, dass das unmöglich ist. Vor Sehnsucht stirbt er und verwandelt sich in eine Narzisse.

   2.  Als Narziss ins Wasser sieht, fällt ein Blatt darauf und verzehrt sein Abbild. Schockiert darüber, dass er hässlich ist,            stirbt er.

   3.  Vor lauter Selbstverliebtheit beugt sich Narziss ins Wasser und ertrinkt.


Nach einer empirischen Studie von Russ und Kollegen (2008) kann man Narzissmus in drei Subtypen einteilen:

  • exhibitionistischer Narzissmus
  • grandios-maligner Narzissmus
  • vulnerabel-fragiler Narzissmus


Damit dieser Beitrag nicht zu lang wird, verzichte darauf, näher auf die Subtypen einzugehen.


Woran erkenne ich einen Narzissten?

Wenn die Selbstverliebtheit das ganze Leben bestimmt und den Betreffenden oder sein Umfeld stark belasten, sprechen Psychiater von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Dieser krankhafte Narzissmus kann zerstörerisch sein. Betroffene haben einen enormen Wunsch nach Bewunderung und Aufmerksamkeit. Sie sind ständig auf Komplimente aus und halten sich für so wichtig, dass jeder sich ihnen unterordnen muss. Durch ihre Anspruchshaltung und die Unfähigkeit, die Bedürfnisse anderer anzuerkennen, nutzen sie ihre Mitmenschen teils schamlos aus. Fremde Leistungen und Erfolge werten sie ab: Sie müssen andere kleinmachen, um sich selbst groß zu fühlen. Narzissten sind gesellig, aber unverträglich

Hinter dem Größenwahn pathologischer Narzissten verbirgt sich oft das Gegenteil. Die Betroffenen haben nicht einfach ein überbordendes Selbstbewusstsein. Vielmehr ist ihr Selbstwert zwar hoch, schwankt aber stärker und hängt mehr als üblich von der Anerkennung anderer ab. Dadurch sind sie leichter kränkbar als andere Menschen. Eine abfällige Bemerkung oder berechtigte Kritik können pathologische Narzissten auf eine steile Talfahrt schicken.

Passiert das, ziehen sie sich nicht etwa traurig zurück, sondern sehen rot. Sie neigen zu Wutausbrüchen und sehen in der Regel keinen Anlass, den lieben Frieden zu wahren.

In der Psychologie nennt man diesen Charakterzug "sozial unverträglich". Typischerweise sind Narzissten zudem sehr extrovertiert – das ergibt mitunter eine explosive Mischung.


Zur Entstehung des Narzissmus gibt es zwei konkurrierende Theorien:

Die eine besagt, dass spätere Narzissten extrem verwöhnt wurden. Durch die Eltern von jeder Frustration und Enttäuschung abgeschirmt, konnten sie demnach nie ein realistisches Selbstbild entwickeln und hegen auch als Erwachsene noch entsprechende Erwartungen an ihr Umfeld.

Die zweite Theorie erklärt das großspurige Verhalten ganz im Gegenteil mit frühen Kränkungen: Jedes Kind möchte wahrgenommen und anerkannt werden. Wird das Bedürfnis nach Liebe durch die Bezugspersonen missachtet oder stark an Leistung geknüpft, bildet sich der Narzissmus als eine Art Selbstschutz aus.

Das Problem: Solche Hypothesen lassen sich wissenschaftlich nur schwer überprüfen. Forscher müssen sich dabei auf die Kindheitserinnerungen erwachsener Betroffener verlassen. Und die sind subjektiv und ungenau.


Wie geht man mit Narzissten um?

Narzissten sind leicht zu kränken und hassen Kritik. Deshalb braucht der Umgang mit ihnen viel Fingerspitzengefühl. Kritik sollte man deshalb immer vorsichtig verpacken und möglichst präzise und in Ich-Botschaften formulieren. Etwa: "Ich leide darunter, wenn du zu spät kommst“ oder "Ich fände es schön, wenn du mich aussprechen lassen würdest“. So stellt man nur ein konkretes Verhalten infrage und nicht die ganze Person.

Diese Form von Kritik empfiehlt sich übrigens generell.

Mach dir aber bitte bewusst: Einen Narzissten kannst du nicht ändern. Allenfalls kannst du ihm Grenzen setzen und seine Manipulationsversuche abwehren. Hilft alles nicht, bleibt oft nur der Abbruch der Beziehung und auf Abstand zu gehen.


Kann man mit einem Narzissten zusammen sein?

Kurz gesagt hängt es ganz von der eigenen Leidensfähigkeit ab.

Narzissten können kreativ, gesellig und sogar unterhaltsam sein. In einer Partnerschaft aber sind sie pures Gift. Der Narzissmus verwandelt die Beziehung in eine toxische Gemeinschaft und macht das Leben mit dem Narzisst unerträglich. Nicht wenige Partner erleben dabei eine Art Achterbahnfahrt der Gefühle – oder ein Martyrium.

Kennzeichen einer narzisstischen Beziehung ist häufig, dass der Partner durch den Narzissten abgewertet, beleidigt, beschuldigt und manipuliert wird. Der Narzisst versucht sich durch sein großspuriges Verhalten aufzuwerten. Ein perfides Spiel aus Schuldzuweisungen, emotionaler Manipulation und Macht. Eine dauerhafte emotionale Ausbeutung des Partners ist die Folge.

Neben gemeinsamen Kindern, emotionalen und finanziellen Abhängigkeiten hält oft vor allem eins die Beziehung am Leben: Die Hoffnung, den Narzissten doch noch ändern zu können. Das wird bei einem echten Narzissten allerdings nicht funktionieren. Emotionale Appelle prallen an Narzissten ab. Streit und Vorwürfe führen nicht selten zum Eklat.

Hier gilt es eher früher als später klare Grenzen zu ziehen, notfalls auch durch einen Kontaktabbruch – schon um sich selbst zu schützen.


Vielleicht fragst du dich jetzt: Bin ich ein Narzisst? Und wie viel Narzissmus steckt in mir?

Um das herauszufinden, findest du hier einen Test.

Aber: Ein solcher Selbsttest kann nur Indizien liefern und ersetzt keine Diagnose!


Warum fallen wir eigentlich auf Narzissten herein?

Selbstverliebte Menschen mit Geltungsdrang sind Meister des ersten Eindrucks. Wie kein anderer verstehen sie es, eine besonders sympathische Aura zu erzeugen und uns das zu geben, was wir so gerne bewundern:

Attraktivität, Coolness, Charme, Humor, Wortgewandtheit

Mehrere Studien zeigen, dass Narzissten mit diesem Eindruck punkten und sich profilieren. Sie knüpfen so schneller Kontakte und werden schließlich populär. Als Resultat beklatschen oder befördern wir sie, teils bis in die Chefetagen, wo sie dann ihr Unwesen treiben, dank der Macht, die wir ihnen gegeben haben.

Manchmal wird ein Narzisst sogar Präsident der USA.


Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Therapie

Narzisstische Menschen haben keine Einsicht darin, dass ihr eigenes Verhalten Probleme erzeugt. Sie sind – zumindest oberflächlich – überzeugt von der Großartigkeit ihres Selbst und suchen den Fehler bei anderen Menschen. Wenn sich Narzissten also in Behandlung begeben, dann meistens aufgrund einer zusätzlichen psychischen Störung, beispielsweise Depressionen, Alkohol- oder Drogenabhängigkeit.

Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung bringt ein erhöhtes Suizidrisiko mit sich. Wenn die eigene Großartigkeit erschüttert wird, setzt eine tiefe Kränkung ein. In der Folge nehmen sich manche Betroffene das Leben - die Suizidrate liegt bei 14 Prozent.

Die Psychotherapie hat in den letzten Jahren große Fortschritte in der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen gemacht. Vielen kann mittlerweile geholfen werden. Patient und Therapeut arbeiten dafür an den Schwierigkeiten im Umgang mit anderen, der gestörten Selbstwahrnehmung und den Problemen bei der Impulskontrolle, die sich oft in Wutausbrüchen zeigen.

Aber: Es gibt kaum Studien dazu, welche Art der Therapie bei Narzissten am besten wirkt und wie groß die Erfolgsquote ist. Weil die meisten Narzissten sich nie Hilfe suchen, haben WissenschaftlerInnen Probleme, ausreichend große Stichproben zu bilden.

Und: Narzissten brechen die Therapie häufiger als andere Patienten vorzeitig ab. Durch die geringe Einsicht in die eigenen Probleme sind Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung teils wenig motiviert, an sich zu arbeiten.


Vielen Dank fürs Lesen und viele Grüße,

Richard


P.S. Die maskuline Schreibweise dient ausschließlich der besseren Lesbarkeit. Angesprochen sind selbstverständlich immer alle Geschlechter.

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